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Archiv-Artikel

Ringen, rangeln, raufen in Ückerath

Die deutsche Olympiahoffnung im Damen-Ringen lebt und trainiert im Rheinland. Stéphanie Groß arbeitet für eine Medaille in Athen. Als Trainerin will sie den jungen Ringerinnen vom AC Ückerath Selbstvertrauen vermitteln

ÜCKERATH taz ■ Stéphanie Groß sieht nicht gerade aus wie eine sowjetische Traktoristin oder Sumo-Ringerin. Sie ist der lebende Beweis, dass Ringen nicht hässlich macht. In einem kleinen Kämmerchen, gefüllt mit Pokalen und Urkunden, treffe ich die Ringerin und Trainerin beim AC Ückerath. Sie wirkt abgehetzt und ein wenig genervt – auch vom Medieninteresse. Eine ringende Frau ist nach wie vor eine kleine Sensation. Dabei hat der Ringerbund schon 1991 das Frauenringen in seine Statuten aufgenommen. Ein Jahr später war Stéphanie Groß bei den ersten Meisterschaft bereits mit dabei. 1993 zog sie von Freiburg nach Köln, um dort Sport zu studieren. Und so kam sie nach Dormagen-Nievenheim zum AC Ückerath, dem wohl erfolgreichsten Verein beim Frauenringen.

„Mein Vater war ein erfolgreicher Ringer“, erzählt Stéphanie Groß. Als Jugendliche machte sie zunächst Judo. „Bei dieser Sportart war die Gleichberechtigung schon viel früher verwirklicht.“ Auch alle anderen Kampfsportarten faszinieren Groß. So verteidigt sie auch den Boxsport, bevorzugt aber selbst das Ringen. „Menschen ringen miteinander, boxen aber gegeneinander.“ Und das K.O. beim Ringen bedeute nicht Bewusstlosigkeit sondern nur, dass beide Schultern des Gegners die Matte berühren. Viel öfter gebe es aber einen Punktsieg statt ein vorzeitiges Ende. Groß: „Wut kann mensch beim Ringen schon abbauen, allerdings nicht, indem sich beim Trainingspartner oder beim Gegner abreagiert wird.“

Ob ihr Sport ihr nachts auf der Straße Sicherheit gebe? Die Ringerin schüttelt den Kopf: „Das funktioniert vielleicht im Kino.“ Natürlich könne sie schneller aus solchen Szenarien heraus kommen, durch das Training kann sie schnell und ausdauernd laufen. Auch gebe ihr der Sport viel Selbstvertrauen. „Trotzdem sind Ringerinnen keine unbesiegbaren Supergirls.“ Schlüpfrige Bemerkungen hört Stéphanie Groß inzwischen seltener. Dies liegt daran, dass Schlammcatchen und Wrestling an Popularität eingebüßt haben, während sich das Damenringen immer mehr etabliert. In Athen, wo das Frauenringen erstmals Bestandteil des olympischen Programms ist, rechnet sich Stéphanie Groß Medaillenchancen aus. Von den 12 Teilnehmerinnen ihrer Gewichtsklasse habe sie acht schon einmal besiegt. „Mit ein bisschen Losglück“ könne es klappen bei Olympia, hofft Groß.

Und nach Olympia? Im Herbst hat sie Aussicht auf eine Stelle am Norbert-Gymnasium in Knechtsteden. Diese ehemalige Klosterschule mausert sich in der Region Köln zur Eliteschule für den Sportnachwuchs. Stéphanie Groß ist nicht nur Ringerin, sondern auch Lehrerin für Sport und Französisch. Zusätzlich wird sie weiter den Mädchen vom AC Ückerath das Ringen lehren. Und das Lesen wird sie weiter begeistern. Ihr Lieblingsautor ist auch ein passionierter Ringer: John Irving. Falls es mit dem Siegertreppchen in Athen nichts wird, kann Stéphanie Groß sicherlich noch Literaturkritikerin werden. Dann muss sie nicht um Medaillen ringen, sondern nur um passende Worte. LUTZ DEBUS