: „Häufig mehr Schaden als Nutzen“
Nachhaltige Tourismusangebote können kontraproduktiv wirken. Sie seien zwar im Grunde genommen wünschenswert, man müsse jedes Angebot jedoch genau prüfen, meint Heinz Fuchs von Tourism Watch
HEINZ FUCHS, 53, ist Leiter der Arbeitsstelle Tourism Watch des Evangelischen Entwicklungsdienstes. FOTO: PRIVAT
taz: Herr Fuchs, nachhaltige Tourismusangebote kommen immer mehr in Trend. Wollen sich die Urlauber ein reines Gewissen erkaufen?Heinz Fuchs: So pauschal würde ich das nicht sagen. Aber oft werden diese Reisen von Menschen gebucht, die tatsächlich glauben, sie könnten den Schaden, den ihr Urlaub verursacht, kompensieren und sogar noch etwas Gutes leisten.
Sie glauben nur, dass sie den Schaden ausgleichen können?
Ja. Es ist leider eine Illusion anzunehmen, man helfe nachhaltig, wenn man zwei Wochen in einem Entwicklungsland arbeitet, dann in ein Flugzeug steigt und um den halben Globus fliegt. Häufig verursachen solche Reisen mehr Schaden als Nutzen.
Warum?
Zum einem sind natürlich die Emissionen, die bei Kontinentalflügen ausgestoßen werden, extrem umweltschädlich und zum anderen kann es für die lokale Wirtschaft fatale Folgen haben, wenn ausländische Kurzzeit-Arbeitskräfte für umsonst ihre Tätigkeit anbieten.
Muss man da nicht differenzieren?
Durchaus. Bestimmte Arbeiten können von Einheimischen nicht geleistet werden. In diesem Fall ist der Einsatz so genannter „Volunteers“ natürlich sinnvoll. Es sollte jedoch darauf geachtet werden, dass die Freiwilligen der Aufgabe auch tatsächlich gewachsen sind. Das ist nicht zwangsläufig bei allen Urlaubern der Fall.
Was ist noch zu bedenken?
Die Freiwilligen sollten möglichst langfristig eingesetzt werden, damit sie die Möglichkeit haben sich richtig einzuarbeiten. Außerdem wird durch langfristige Einsätze die Anzahl der notwendigen Flüge reduziert.
Viele Anbieter versuchen den Schaden, den die Flüge verursachen, durch Ausgleichzahlungen zu kompensieren.
Im Grunde genommen sind diese Ausgleichzahlungen ein Schritt in die richtige Richtung. Es ist zumindest gut gemeint. Aber klimaneutrale Flüge, wie sie einige Anbieter anpreisen, gibt es trotzdem nicht. Die Verschmutzung, die durch einen Flug entsteht ist nicht wieder rückgängig zu machen. Das beste ist, einfach gar nicht zu fliegen.
Sie sehen die nachhaltigen Tourismusangebote sehr kritisch …
Nein, grundsätzlich sind solche Angebote ja wünschenswert. Aber es ist eben auch ein enorm gewinnbringendes Geschäft, solche Reisen anzubieten.
Ist es nicht gut, dass die Nachfrage gestiegen ist?
Vom 4. bis zum 8. Februar findet auf dem Hamburger Messegelände die Reisen Hamburg statt. Im Fokus der Ideenmesse für Urlaub und Caravaning stehen dieses Jahr unter anderem Tourismusangebote, bei denen Umwelt- und Sozialprojekte gefördert werden. Zu diesem Thema stellen Reiseveranstalter aus wie Explore & Help, Gebeco, Marco Polo sowie der Verband Forum Anders Reisen. Die Reisen Hamburg bietet jährlich rund 1.000 internationalen Austellern die Möglichkeit ihre Angebote zu präsentieren. Neben Programmen von Reiseveranstaltern werden außerdem Reisemobile und Reisezubehör vorgestellt. Der Bereich Nachhaltiger Tourismus ist in den letzten Jahren stetig gewachsen.
4. bis 8. Februar, 10 - 18 Uhr Hamburg Messe, Eintritt 8,50 Euro
Natürlich ist das gut. Denn es zeigt, dass es mittlerweile ein Bewusstsein dafür gibt, dass unreflektierter Tourismus schwere soziale und ökologische Schäden hinterlässt. Aber einige Reiseveranstalter nutzen diese Nachfrage aus, um mit entsprechenden Angeboten die Ökobilanz ihres Unternehmens auszugleichen. Neben vielen problematischen Angeboten steht ein nachhaltiges Angebot. Man nennt das „greenwashing“. Deshalb sollte immer genau darauf geachtet werden, dass der richtige Anbieter ausgewählt wird.
Worauf sollte man achten?
Es sollte sichergestellt sein, dass das örtliche Personal ausreichend entlohnt wird, dass es sozialversichert ist und dass die Arbeitszeiten angemessen sind. Außerdem sollte die Kontaktaufnahme mit Einheimischen immer auf einer gewissen Gegenseitigkeit beruhen. Sind diese Voraussetzungen gegeben, können Einheimische durchaus von den Austausch mit Touristen profitieren – sowohl finanziell als auch kulturell.
INTERVIEW: JOHANN TISCHEWSKI