: Kein Gewerbe in den Baracken
Kultursenator Flierl stellt Konzept für Gedenkstätte in ehemaligem Zwangsarbeiterlager in Niederschöneweide vor. Drei von ehemals zwölf Baracken werden als Mahnstätte ausgebaut
VON FLORIAN HÖHNE
Lange waren sie vergessen: die zwölf Baracken in Niederschöneweide, die einmal ein Zwangsarbeiterlager der Nazis waren. Lange erinnerte auch nichts daran. In der gestrigen Kulturausschusssitzung hat nun Kultursentor Thomas Flierl (PDS) ein Vorkonzept für die Nutzung des Geländes vorgestellt. Zwei der zwölf Baracken sollen danach zu einem Gedenk- und Informationszentrum umgebaut werden. In einer dritten könnten nach dem Vorschlag Übernachtungsmöglichkeiten für Jugendliche entstehen. Dies ermögliche intensive Projektarbeit mit SchülerInnen vor Ort, erklärte Flierl. Die übrigen Baracken sollten als Gedenkstätte erhalten bleiben. Der Vorschlag entstand nach einem Besuch des Kulturausschusses in Niederschöneweide.
Ursprünglich war geplant, vier – und nicht nur drei – Baracken zu sanieren. Dies stieß allerdings auf Widerspruch der Senatsverwalung für Stadtentwicklung, die die Finanzierung übernehmen soll. Der aktuelle, bescheidenere Vorschlag lehnt auch Mischkonzepte ab: Denen zufolge hätten Teile der Baracken als gewerbliche Nutzfläche vermietet werden sollen, um die Gedenkstätte zu finanzieren.
Ende Oktober diesen Jahres will der Kultursenator das abschließende Konzept vorlegen. Bis dahin wird auch feststehen, wer genau Träger und Betreiber der Gedenkstätte sein wird. Flierl schlug vor, die vorhandenen örtlichen Initiativen einzubeziehen – also eine Zusammenarbeit mit dem Bezirk und beispielsweise der Stiftung „Topographie des Terrors“, der Berliner Geschichtswerkstatt e. V, dem Bund der Antifaschistischen Berlin-Treptow und dem Verein Kulturlanschaft Dahme-Spreewald anzustreben.
Eine Millionen Euro veranschlagte die Staatssekretärin für Stadtentwicklung, Hella Dunger-Löper (SPD), für Grundstückserwerb – ungefähr 108.000 Euro – und Sanierung. Das Geld kommt von der Bauverwaltung, Eigentümerin wird aber die Kulturverwaltung sein. Nach Flierls Plänen soll die Gedenkstätte 2006 eröffnen. Die 360.000 Euro jährlich anfallenden Betriebskosten wird die Kulturverwaltung übernehmen. Offen ist noch, ob und wie viel der Bund beitragen wird. „Wir hoffen natürlich, dass der Bund sich beteiligen wird“, sagte Flierl. „Wir rechnen deshalb mit 360.000 plus x.“ Die Opposition begrüßte die neuen Vorschläge. Annelies Herrmann (CDU): „Es ist gut, dass dieses Projekt aus dem Dornröschenschlaf geweckt wird.“
Fraglich ist allerdings, welche Rolle die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport spielen könnte. Alice Ströver (Grüne) drängte darauf, die Schulverwaltung in die Pflicht zu nehmen: „Das Nutzungskonzept zielt ja stark auf Jugendliche.“ Thomas Härtel, Staatssekretär für Bildung, Jugend und Sport, sieht jedoch keine Möglichkeit, sich finanziell an der Gedenkstätte zu beteiligen. „Es gibt im Haushalt dafür keinen Etat“, sagte Härtel: „Wir werden allerdings in den Schulen und bei Lehrern für den Besuch in Niederschöneweide werben.“
Die Baracken zwischen Britzer, Köllnischer und Rudower Straße wurden 1943 unter Leitung der Behörde des Generalbauinspektors Albert Speer erbaut. Für 2.000 ausländische Zwangsarbeiter war der 3,3 Hektar große Gesamtkomplex vorgesehen.
Es ist das letzte fast vollständig erhaltene der Lager, die es in der damaligen Reichs- und Rüstungshauptstadt Berlin gab. Erst im Jahr 1993 wurde das ehemalige Zwangsarbeiterlager wieder entdeckt. Zwischenzeitlich hatten die flachen Gebäude kleine Werkstätten, einen Autohändler, Kindergärtern, eine Sauna, eine Kegelbahn und ein Forschungsinstitut beherbergt. Seit Mai 1995 steht der Komplex unter Denkmalschutz – aber erst seit Juli 2001 erinnert eine offizielle Gedenktafel an das Lager.