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Archiv-Artikel

Der Farbfinder

Thomas Danzl pflegt seit sechs Jahren die Bauhausarchitektur: Ein Rundgang durch die Meisterhäuser

Wer bei Bauhaus nur an die „weiße Moderne“ denkt, liegt gründlich verkehrt. Das Bauhaus war bunt. Farbe bildete einen unverzichtbaren Bestandteil der Lehre. Doch wer Stil unterrichtet, muss auch stilvoll wohnen. In einem kleinen Kiefernwäldchen schufen sich Walter Gropius und die anderen Dozenten ihr eigenes Domizil: Die Meisterhäuser. Allerdings gab es für jeden Meister nur ein halbes Haus: Paul Klee wohnte zusammen mit Wassily Kandinsky. Nur Direktor Gropius bekam ein Haus für sich allein.

Keiner weiß soviel über Farbe und Bauhaus wie Thomas Danzl. Er kennt die Wände der Meisterhäuser bis in die letzte Pore. Noch der unscheinbarste Rest einer Mauer verhilft ihm zur Erkenntnis. Danzl erläutert einem Besucher die unterschiedlichen denkmalpflegerischen Ansätze.

Danzl: Sehen sie dieSchäden?

Besucher: Ich sehe gar nichts.

D: Diese hellgelben Flecken der roten Wandmalerei. Fühlen Sie mal. Außerdem wurden die meisten Befundstellen bei der Restaurierung zerstört.

B: Befundstellen?

D: An Befundstellen nehme ich Materialproben, aus denen ich dann auf Farben oder Beläge schließe. Diese Arbeit bildet die Grundlage für die anschließende Diskussion. Man muss sich in jedem Raum für einen Zustand entscheiden: Etwa für das silberne Zimmer von Nina Kandinsky, in einem anderen für das legendäre schwarz-glänzende Schlafzimmer, das Marcel Breuer für Georg Muche gestaltete. Sehen sie einmal dieses grau-blaue Rechteck. Das soll die Stelle kennzeichnen, an der einmal ein Waschbecken hing. Versteht auch keiner, ohne dass man es ihm erklärt.

B: War das Bauhaus bunt?

D: Ja. Im Klee-Kandinsky-Haus fanden wir über 160 verschiedene Farben. Die Meister schlugen sich ja mit den alten Farblehren herum. Es gab noch keine Normierungen. Vor Genies wie Klee habe ich allergrößten Respekt. Oder Kandinsky mit seinem sehr subjektiven Zugang zu Farbe und Form mit den Antipoden gelb und blau.

B: Mit Gropius Weggang endet seltsamerweise die Farbigkeit?

D: Ja, obwohl er doch als nüchtern galt. Ich schreibe gerade an einer Arbeit über die Einflüsse auf das Bauhaus, z.B. die Erdfarbigkeit eines Le Corbusier. Farbe besteht immer aus Material. Dass der Boden hier mit Triolin belegt ist, wissen wir erst seit zwei Jahren. Das Material kannte keiner mehr. Wir dachten immer es sei Linoleum. Bestimmte Entdeckungen stoßen das gesamte System um, und nicht selten muss man wieder von vorne anfangen.

B: Ist das nicht bei jedem Gedankengebäude so?

D: Ja. Nur werden bei einem wirklichen Gebäude derweil die Dinge zerstört. Schauen Sie sich mal diese Stümperei mit den crème-farbenen Kacheln im Badezimmer an. Auch ein Maler oder Fliesenleger darf sein Handwerk nicht verraten. Aber ich will die Ästhetisierung nicht übertreiben. Sehen Sie diese schwarze Wand hier im Atelier Paul Klees. Die so dunkelschwarz hinzukriegen, war schwer. Sehr schwer. Dass sie jetzt Spuren erleidet, liegt daran, dass der Raum für Ausstellungen benutzt wird. Klee hätte ja auch kein Schild aufgehängt, das verbietet die Wand zu berühren. B: Jeder neue Bewohner der Räume hat dasselbe Recht wie die vorherigen?

D: Ja. Sonst ginge es ja nur um berühmte Namen. Nehmen wir als schlechtes Beispiel den Umgang mit den Griffen der Atelierfenster. Bei der ersten Sanierung waren das schon Gropius-Nachempfindungen, im zweiten sanierten Meisterhaus dann nachempfundene Nachempfindungen. Das ist genau so absurd, wie neue Materialien mit Patina zu versehen oder Räume mit Antiquitäten vollzustellen. Wo es geht, wird materialidentisch gearbeitet, der Rest ist Sache des gestaltenden Architekten. Ein Badezimmer, das funktioniert. Ein Waschbecken, wo ein Waschbecken hingehört. Aber schauen Sie nur, hier im Treppenhaus ist meine Lieblingsstelle. Farblich perfekt durchkomponiert. Das Krapplack-Rot, die lichten Grautöne, das gebrochene Weiß, dieses pastellfarbene Gelb und Rosa. Jede Wand, jede Zarge, jedes Türblatt in einem anderen Ton, und wenn wir uns hindurch bewegen, entsteht Harmonie.

B: Färbt diese Begeisterung eigentlich auf Ihr Zuhause ab?

D: Ich habe 18 der in den Meisterhäusern verwendeten Farben in meinem Haus. Dieses Rot prägt das Zimmer meiner Frau, zusammen mit einem leichten Grau.

B: Wieso wollen Sie überhaupt mit solchem Eifer die Dinge bewahren?

D: Letztendlich zeugt es von Respekt gegenüber der Vergangenheit. Es ist konservativ im guten Sinne. Der Wunsch danach, dass wir bestimmen können, was mit der Welt passiert. Das ist ganz positivistisch der Glaube an eine bessere Zukunft.

Dialog: Götz Leineweber