: Männer besser als ihr Ruf
Noch immer nehmen nur fünf Prozent der Väter Elternzeit. Doch trifft der Vorwurf nicht, Männer engagierten sich kaum zu Hause. Ihr Leben ist vielfältiger als angenommen
Jetzt haben wir es schwarz auf weiß: Fünf Prozent der Väter nehmen Elternzeit, hat Familienministerin Schmidt eruieren lassen. Scheinbar passt das ins Bild: Männer machen am allerliebsten Karriere, sollte man aus dieser Zahl schließen. Und wenn sie nicht im Büro sitzen, so das gängige Vorurteil, dann sitzen sie in der Kneipe, tummeln sich auf dem Fußballplatz – um Kinder und Hausarbeit hingegen kümmern sie sich kaum. Ist der Mann von heute wirklich immer noch Pascha und Nestflüchter? Ganz genau wussten wir bisher nicht, womit Männer den lieben langen Tag ihre Zeit verbringen. Und viele Hypothesen über das Männerleben finden sich folglich auch unreflektiert wieder in der vorherrschenden Geschlechterpolitik – etwa in den zahlreichen Appellen, Männer sollen mehr zu Hause sein.
Bisherige Männerstudien wie etwa die von Paul Zulehner und Rainer Volz aus dem Jahr 1998 zeigten, dass 25 Prozent der befragten Männer als so genannte neue Männer angesehen werden können. Sie wollen aktive Väter sein und Haus-, Familien- und Erwerbsarbeit partnerschaftlich teilen.
Kritisiert wurde an solchen Studien, dass sie in erster Linie Einstellungen abfragen und Männer ihre Antworten wahrscheinlich „schönen“. Genau an diesem Punkt setzt unsere Analyse der Zeitverwendung von Männern an. Ihr liegt die tatsächliche Zeitverwendung der Männer zugrunde, die das Statistische Bundesamt in einer Zeitbudget-Studie erhoben hat.
Gleich vorweg: Der Durchschnittsmann fällt nicht vor Erwerbsarbeit um und die Durchschnittsfrau nicht vor Hausarbeit. Frauen und Männer verbringen fast gleich viel Zeit damit, sich zu regenerieren: Fast die Hälfte des Tages verwenden beide Geschlechter auf Schlafen, Essen und auf die Selbstpflege.
Der Rest der Zeit wird durchaus geschlechtsspezifisch verbracht. Doch ist es keineswegs so, dass ein Geschlecht dabei mit überdurchschnittlich viel Freizeit herauskommt. Die Daten bestätigen, dass Männer, insbesondere im Alter zwischen 25 und 45 Jahren, deutlich mehr Zeit im Beruf verbringen als Frauen. Ein Fünftel ihres Tages ist mit Erwerbsarbeit gefüllt. Aber: Ihr Anteil an der Haus- und Familienarbeit nimmt nicht im selben Verhältnis ab. Er bleibt, gleich wie sehr sie beruflich eingespannt sind, bei einem Zehntel ihres Tageszeitbudgets stehen.
Das männliche Engagement im Haushalt nimmt zunächst sogar sprunghaft zu, wenn sie Väter werden und wenn die Kinder unter drei Jahre alt sind. Leben mehr als drei Kinder mit ihnen zusammen, vergrößern sie allerdings auch ihren Zeiteinsatz in der Erwerbsarbeit – und arbeiten im Beruf fast viermal so viel wie Frauen. Paare tappen hier in die klassische „Retraditionalisierungsfalle“. Das ist ein Problem, das aber keinesfalls mit Häme den Männern anzuhängen ist. Denn: Ist ausschließlich der Vater erwerbstätig, ist sein täglicher Zeitaufwand im Haus und im Job zusammengenommen sogar um rund eine Stunde und zehn Minuten größer als der seiner Partnerin.
Zeiteinteilungen, die am ehesten den Typisierungen von neuem und traditionellem Mann entsprechen, finden sich gehäuft in besonderen Sektoren der Gesellschaft. Besonders positiv tun sich hinsichtlich ihres Engagements in der Kinderbetreuung Männer hervor, die im so genannten Non-Profit-Bereich – also etwa bei Kirchen oder Sozialverbänden – arbeiten. Ihr Einsatz für die tägliche Kinderbetreuung ist sogar eine Minute länger als der ihrer weiblichen Kolleginnen. Besonders negativ fallen dagegen Männer auf, die nach der Einkommensstatistik als reich bezeichnet werden können: Ihr Einsatz für die Betreuung von Kindern ist genauso umfangreich wie für die Pflege ihrer Textilien und beträgt durchschnittlich ganze 15 Minuten in der Woche. Besonders aktiv im Haus sind dagegen die verbeamteten Männer und – wer hätte es gedacht? – männliche Arbeiter. In diesem Milieu scheinen sich also im Ansatz egalitäre Traditionen erhalten zu haben. Als Selbstständige und in der Landwirtschaft arbeitende Männer sind dagegen zu Hause kaum präsent – sie sind die traditionellen Erwerbsmänner. Sie verbringen bis zu einem Viertel mehr als andere Männer in der Erwerbsarbeit. Gerade sie bilden in der öffentlichen Diskussion noch immer das Bild vom Mann ab und setzen gemeinsam mit den reichen Workaholics die Maßstäbe.
Aber selbst diese Männer haben – wie die anderen Männer auch – Freizeit, Zeit ohne Erwerbsarbeit. Und allgemein sind Männer in dieser freien Zeit ganz im Gegensatz zu vorherrschenden Bildern keineswegs durchgängig auf dem Fußballplatz oder beim Angeln. Sie sind vielmehr die meiste Zeit zu Hause. Hier verbringen sie ein Drittel ihrer Freizeit mit dem Konsum von bewegten Bildern. Auch das kann man kaum skandalisieren, denn exakt dieselbe Zeit verbringen auch die Frauen vor dem Fernseher. Männer sind in toto auch keineswegs autistische Computerfreaks, denn nur durchschnittlich eine Viertelstunde am Tag sitzen sie am PC. Ganz im Gegenteil: Sie investieren täglich fast eine Stunde in soziale Kontakte.
Männerleben, so zeigen unsere Analysen, ist vielfältiger und facettenreicher als häufig angenommen. Zwar bildet die Erwerbsarbeit nach wie vor „seinen“ zentralen Aktivitätsbereich. Diese Tendenz zur traditionellen Arbeitsteilung ist selbstverständlich nicht schönzureden. Aber Männer sind – und das ist ein wichtiger Punkt – zu Hause keineswegs fremd oder gar die autistischen Nestflüchter. Die männliche Zeitverwendung und die zu Hause erledigten Tätigkeiten folgen vielmehr der Entwicklung der jeweiligen „Haushaltsstruktur“. Das heißt: Die meisten Männer und Väter gestalten ihre Alltagsexistenz in Partnerschaft, Beruf, Familie und Freizeit entsprechend den Anforderungen der jeweiligen Zahl ihrer Kinder, dem Alter ihrer Nachkommen und der Erwerbssituation. Dieses Ergebnis ist sicherlich kein Anlass für männliche Selbstgefälligkeit, wohl aber für eine differenzierte Wahrnehmung des männlichen Beitrags zur Bewältigung des gemeinsamen Alltags von Männern und Frauen, und sollte endlich auch in der Geschlechterpolitik seinen Niederschlag finden. Sie sollte sich nicht in Forderungen nach mehr Engagement von Männern in der Haus- und Familienarbeit erschöpfen, sondern konkrete Rahmenbedingungen herstellen, die die bereits vorhandene Familienorientierung von Männern unterstützt und stärkt.
PETER DÖGE, RAINER VOLZ