: Der Ursprungsmythos als Kuckucksei
Eher Comic als altertümliche Darstellung: Ob baskisch oder spanisch – manche archäologischen Funde aus Spanien haben ziemlich kurze Beine
Ein archäologischer Fund, der zu einem neuen Mythos der baskischen Nation werden sollte, verkommt jetzt zur Provinzposse.
Vor zwei Jahren gab die Autonomieregierung der spanischen Nordregion einen „sensationellen Fund“ bekannt. Rund 300 Scherben seien in Veleia in der Baskenprovinz Álava gefunden worden. Neben frühchristlichen Symbolen zeigten die Keramikfragmente Inschriften auf Baskisch.
Die mit der Vorstellung beauftragten Wissenschaftler datierten die Reste auf das 3. Jahrhundert nach Christus. Sie seien damit die ältesten Zeugnisse der vorromanischen Sprache, die jemals gefunden wurden. Und das auch noch in einer Gegend, in der es bis heute keine Belege dafür gibt, dass dort vor der Romanisierung jemals das Baskische verbreitet war. Jetzt müssen die Behörden kleinlaut eingestehen, was so mancher von Anfang an vermutete: Es handelt sich um eine Fälschung. Die gefundenen Worte sind zu modern. Ein abgebildetes Kruzifix zeigt die Inschrift RIP, „Ruhe in Frieden“ statt des für Jesus üblichen INRI „Jesus von Nazareth, König der Juden“. Und ein Fragment, das eine nackte Frau zeigt, die sich an die Scham greift, erinnert eher an einen Comic als an eine altertümliche Darstellung.
Richter ermitteln nun, wer den Behörden das Kuckucksei untergeschoben hat. Die Provinzverwaltung von Álava, die in einem Geschichtsmuseum bereits eigens einen Saal für den Fund vorbereitet hat, beschuldigt die für die Ausgrabung zuständige private Firma Lurmen SL. Deren Chef hält an der Echtheit der Funde fest. „Ich bin das Opfer einen Lynchjustiz“, beteuert er trotzig. Bei der Ausgrabung, für die Lurmen insgesamt 3,3 Millionen Euro an Steuergeldern erhielt, wurden wichtige Grundsätze missachtet. So weiß heute keiner mehr den genauen Ort, an dem die Scherben gefunden wurden. Sie seien in eine Lagerhalle gebracht worden. Erst nach der Waschung, Monate später, seien die Inschriften entdeckt worden.
„So etwas kann nur im Baskenland passieren“, sagt Martín Almagro Gorbea, selbst Baske und Mitglied der spanischen Akademie für Geschichte. So mancher Wissenschaftler habe bereits von Anfang an Zweifel gehegt und sich dafür den Vorwurf gefallen lassen müssen, gegen das Baskenland zu sein. Die Sehnsucht nach einem neuen nationalen Mythos übertönte die warnenden Stimmen. „Das ist nur dort möglich, wo die Geschichte mithilfe der Ideologie instrumentaliziert wird“, beschwert sich Gorbea.
Nicht zum ersten Mal erweisen sich archäologische Funde als falsch. Bereits im 18. Jahrhundert erfand ein Priester eine Inschrift, die belegen sollte, dass die Basken bereits vor der Christianisierung an nur einen Gott geglaubt haben. Vor 18 Jahren sorgte eine Höhle mit steinzeitlichen Malereien für Aufsehen. Es sei eine „prähistorische sixtinische Kapelle“, jubelten die Nationalisten, bis Experten Reste von Küchenschwämmen fanden und eindeutig belegen konnten, dass die Farben aus industrieller Herstellung stammten.
Doch auch Spanien als solches hat seinen umstrittenen Fund. Den einen gilt die in Madrid ausgestellte „Dama de Elche“ als wichtigstes Kunstwerk der Iberer, den anderen als Fälschung. Der Fund der Frauenbüste löste Ende des 19. Jahrhunderts einen nationalen Begeisterungssturm aus, just als Spanien die letzten Kolonien verlor.
REINER WANDLER