: Der antiamerikanische Freund
Peter Zadek ruft in der Hamburger Illustrierten „Der Spiegel“ zum Kulturkampf auf
Wenn ein Kulturschaffender unbedingt unter Beweis stellen muss, dass „Mittelmaß und Wahn“ als ein von Enzensberger diagnostizierter geistiger Zustand auf ihn voll zutrifft, dann kann es sich eigentlich nur um Peter Zadek handeln. In einem Interview der Hamburger Illustrierten Der Spiegel bekennt er sich in dieser Woche offen und freizügig zum ebenso kitschigen wie klitschigen Klischee, zum Antiamerikanismus.
Die Amerikaner, zitiert er übereinstimmend mit einem Antikriegsdichter, seien heute mit den Nazis zu vergleichen, wobei der ganze Unterschied darin bestünde, dass die Nazis nur Europa, die Amerikaner aber die ganze Welt besiegen wollten. Einen unsinnigen historischen Vergleich sollte man aus humoristischen Gründen nie verachten, aber bei dieser einfältigen Parallele kann man nur Bauklötze staunen, denn offensichtlich gehört für Zadek Afrika bereits zu Europa. In Afrika jedenfalls trieb sich die deutsche Wehrmacht herum, in Asien konnte sie bloß deshalb keine größeren Verheerungen ausrichten, weil sie vorher in Stalingrad stecken blieb. Und die Wehrmacht wäre auch in Amerika zugange gewesen, wäre die V2-Wunderwaffe rechtzeitig fertig geworden. Zadek sei Dank muss jetzt nicht nur die Geschichte neu geschrieben, sondern auch die Weltkarte neu gezeichnet werden.
„Peinlich“ findet Zadek den „Minderwertigkeitskomplex, den wir Europäer immer noch haben“, wobei der „Minderwertigkeitskomplex“ offenbar darin besteht, dass „wir“ im ständigen „Kulturkampf“ mit den Amerikanern immer den Kürzeren ziehen. Um in diesem „Kulturkampf“ Punkte zu machen, würde Zadek „auch ein Schwein auf die Bühne holen“. Aber vermutlich könnte er auch dann nicht gegen das von ihm verteufelte „schreckliche Zeug“ aus Hollywood anstinken, wenn er selber auf der Bühne ginge und grunzte. Dummerweise ist Hollywood, was den Irakkrieg angeht, partiell gar nicht mal so sehr anderer Meinung, wie das theatralische „Shame on you, Mr. President!“ von Michael Moore zeigte, für das er von Teilen der versammelten Hollywood-Elite frenetischen Beifall erhielt.
Diese Zustimmung aber ist Zadek eher peinlich, weswegen „diese Scheiße, die auch eine Kulturscheiße ist“, seiner Meinung nach „nur offene Türen einrennt“, wobei man sich fragt, was Zadek eigentlich anderes macht. Denn auch er bedient selbstverständlich den Mainstream, auch wenn er glaubt, eine fürchterlich gefährliche oppositionelle Meinung vom Stapel zu lassen, sobald er seinen antiamerikanischen Ressentiments freien Lauf lässt. Führt man sich dann vor Augen, dass Zadek offensichtlich nicht zu jenen gehört, die ein vernünftiges Argument zustande bringen, ist es umso erstaunlicher, dass er selbst die dümmsten Klischees in Anspruch nimmt, die höchstens noch Kabarettisten verwenden, um ein paar müde Lacher abzustauben. Nach dem antisemitischen Schema „Ich habe nichts gegen Juden, einige meiner besten Freunde sind Juden“, sagt Zadek, der nie in Amerika war, ohne den Hauch von Ironie: „Mir ist Amerika zutiefst zuwider, auch wenn ich natürlich ein paar amerikanische Freunde habe.“ Natürlich? Was heißt hier natürlich? Zadek – auch einer dieser Natürlich-Sager.
Als Anhänger der Appeasement-Politik hat Zadek immerhin mal einen originellen Gedanken: „Krieg entsteht dadurch, dass Leute nicht mehr im Stande sind, miteinander zu reden.“ Hätte man also auf Hitler nur lange genug eingequatscht, wäre er bestimmt irgendwann mal in die Knie gegangen, wobei in diesem Fall Zadek offensichtlich zu sehr von sich ausgeht. Tatsächlich kann man nicht ausschließen, dass Hitler vor dem auf ihn einredenden Zadek die Waffen gestreckt hätte. Zumindest hätte er anerkennen müssen, dass Zadeks Ansichten auch nicht weniger bizarr als seine eigenen sind. Und in dieser Hinsicht sind sich Hitler und Zadek doch wirklich ähnlich, um auch mal einen kleinen Vergleich anzubringen, der nicht weniger Plausibilität für sich in Anspruch nehmen kann als Zadeks Gleichsetzung von Amerikanern und Nazis. Hitler und Zadek jedenfalls haben überzeugend nachgewiesen, dass sich aus dem Mittelmaß, dem gewöhnlichen bürgerlichen Ressentiment, ein erstaunlicher Wahn wringen lässt, wenn man den Quatsch nur lange genug knetet. Der einzige Unterschied besteht darin, dass Hitler mit seinem Wahn erfolgreich war.
KLAUS BITTERMANN