Hoffnung für Käufer von Schrottimmobilien

BGH-Urteil: Wer beim Kauf einer Wohnung betrogen wurde und viel Geld verloren hat, darf den Vertrag lösen

HAMBURG taz ■ Hunderttausende Menschen, die auf blumige Versprechen reingefallen sind, Schrottimmobilien gekauft haben und womöglich vor dem Ruin stehen, dürfen nun hoffen: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ein überraschend verbraucherfreundliches Urteil gefällt und sich damit gegen die bisherige bankenfreundliche Rechtsprechung gestellt.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband schätzt die Zahl der Betroffenen auf mindestens 300.000. Ein Beispiel: Die Badenia Bausparkasse hat seit Ende der Achtzigerjahre in erheblichem Umfang den Erwerb von Eigentumswohnungen finanziert. Bei diesen Wohnungen handelt es sich in der Regel um im sozialen Wohnungsbau der Sechziger- und Siebzigerjahre erbaute Mietshäuser. Die Allgemeine Wohnungsvermögens-AG (Allwo) in Hannover kaufte sie zunächst an, renovierte sie, teilte sie in Wohneigentum auf und bot sie an. Der Vertrieb der Eigentumswohnungen sowie die Vermittlung der Badenia-Finanzierung erfolgten über die Heinen & Biege GmbH in Dortmund, die sich wiederum vieler Untervermittler bediente.

Solche traten 1992 an das Ehepaar Schulte heran und überzeugten sie vom Anlagemodell des kreditfinanzierten Immobilienerwerbs. Die Tilgung sollte sich durch Mieteinkünfte und Steuerersparnisse tragen. Schultes erwarben eine Wohnung als Altersvorsorge zum Preis von 90.519 DM. Ausschließlich zur Finanzierung des Kaufpreises nahmen sie bei der Badenia Bausparkasse ein Darlehen über 105.000 DM auf. Zudem verpflichteten sich Schultes, bei der Badenia zwei Bausparverträge abzuschließen. Eine Widerrufsbelehrung nach dem Haustürwiderrufsgesetz (HwiG) enthielt der Darlehensvertrag nicht, was nach Meinung von Rechtsanwälten den Vertrag kündbar macht. Als die versprochenen Steuervorteile und Mieteinnahmen ausblieben, stoppten Schultes im Sommer 2002 ihre Zahlungen. Die Badenia betreibt seither die Zwangsvollstreckung. Schultes berufen sich auf einen Verstoß gegen das Haustürwiderrufsgesetz.

Für die Besitzer von Schrottimmobilien geht es um viel Geld, um ihre Altersversorgung und oft um die Existenz. Am Montag hat der Bundesgerichtshof in ähnlichen Fällen zugunsten der Opfer entschieden (Aktenzeichen: II. ZR 392/01 u. a.). Betrogene Anleger dürften Immobilie und Kredit schadlos zurückgeben, entschied der II. Zivilsenat in Karlsruhe. Bislang war der im selben Haus residierende XI. Senat zuständig – und er stellte sich regelmäßig auf die Seite der Banken. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat den Bundesgerichtshof deshalb schon vor zwei Jahren gerügt. Am Dienstag haben in Luxemburg nun die Verhandlungen um den Präzedenzfall Schulte (Az: C-350/03) begonnen. Bereits am 28. September wird nach Informationen der taz der Generalstaatsanwalt seinen Schlussantrag stellen. Ein Urteil könnte noch im Herbst erfolgen.

HERMANNUS PFEIFFER