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Archiv-Artikel

singspiel Feuereimer leuchten Gandhi heim

Als 1976 „Einstein on the Beach“ von Robert Wilson und Philip Glass beim Festival in Avignon auftauchte, erschien diese ausladende Oper als die radikale Alternative zu den Modellen einer gealterten europäischen Avantgarde. Rasch schob Glass ein großformatiges Bekenntniswerk nach: „Satyagraha“ wurde inspiriert von Leben und Lehren Mahatma Gandhis, ein Werk, das allerdings nur als Schemen auf der Bühne erscheint. Der gewaltlose indische Freiheitskämpfer und seine Vertrauten treten zwar als singendes Personal auf – neben stummen Figuren der indischen Mythologie und, ebenfalls stimmlos, Dichtern wie Tolstoi oder Tagore. Aber die Textgrundlage der Gesänge geht auf alte Spruchweisheiten zurück (vor allem das Lehrgedicht Bhagawadgita). Am Sonntag hatte das Stück in Bonn Premiere.

Wie alle Bekenntniskunst trifft auch „Satyagraha“ auf Gläubige und Skeptiker. Manche wippen begeistert mit. Andere geraten ins Grübeln über Sentenzen wie „So macht sich die Seele zur Wieder- oder Nichtwiederkehr auf“. Vor den Seelen tun dies jedenfalls die Leiber: Bewehrt mit Stäben, aber auch gebunden von dicken Seilen bricht vorm blauen Horizont ein Trupp zum historisches Gefecht auf, das nicht zustande kommt, weil einen der Feldherren Zweifel an Sinn und Form der Kriegsführung befallen. Von da an entwickelt sich die pazifistische und arbeitsmoralische Weisheitslehre frei fluktuierend. Gliederpuppen, eine feuerquellende Video-Gottheit und ein nebulöser Lebensbaum sind behilflich.

Silviu Purcarete präsentiert in der glatten Schönheit von Helmut Stürmers Bildern eine Inszenierung, der sogar die kleinen kritischen Zähne (wie der Auftritt des US-Bürgerrechtlers Martin Luther King) gezogen wurden. Der Chor wird durch Feuereimer oder Taschenlampen erleuchtet, damit er seine in Sanskrit zu singenden Texte ablesen kann. Die rubbelnd-emsige Begleitmusik fordert ein Maß an technischer Präzision, für das Ulrich Windfuhr und das Beethoven-Orchester nicht durchgängig zu sorgen vermögen. Anders als diese Art des Musiktheatermachens ist die Sache Gandhis nicht in naivem Gewerkel stehen geblieben

Frieder Reininghaus

„Satyagraha“: Oper Bonn, Tel 01805/00 18 12, Aufführungen: heute und 26. Juni, jeweils 19.30 Uhr, 11. Juli, 18 Uhr