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Archiv-Artikel

„Eichel wird das Ziel verfehlen“

Der Bremer Ökonom Rudolf Hickel glaubt nicht, dass der Finanzminister das Wirtschaftswachstum mit seinen Eckpunkten ankurbeln kann. Sein Vorschlag: Lasst den Spitzensteuersatz, wo er ist, und investiert das Geld lieber in die Kommunen

Interview BEATE WILLMS

taz: Herr Hickel, Sie haben immer gesagt, der Bundesfinanzminister müsse auch eine höhere Verschuldung in Kauf nehmen, um in einer Krise die Konjunktur anzukurbeln. Was halten Sie von seinen Eckpunkten zur vorgezogenen nächsten Stufe der Steuerreform?

Rudolf Hickel: Ich weiß nicht, was Herrn Eichel da geritten hat. Es ist einfach abenteuerlich. Er wird das Ziel, das Wirtschaftswachstum zu steigern, glatt verfehlen: Was die Lohn- und Gehaltsbezieher mehr in der Tasche behalten – bei einem zu versteuernden Einkommen von 20.000 Euro im Monat sind das 33 Euro –, löst keinen Konsumschub aus. Zumal noch niemand weiß, ob diese geringe Entlastung durch den Abbau von Steuervorteilen auf null schmilzt oder sogar in eine höhere Belastung umschlägt. Und die Einkommensstarken werden ihre höheren Nettoeinkommen nicht für Konsum oder Investitionen nutzen.

Macht Herr Eichel also einen Fehler, wenn er höhere Schulden aufnimmt?

Er macht einen Fehler, wenn er damit die Senkung des Spitzensteuersatzes um 6,5 Prozentpunkte finanziert. Denn wenn die Kette „Steuersenkung führt zu höherem Wachstum, das führt zu steigenden Steuereinnahmen“ nicht in Gang gesetzt wird, wächst der Druck auf allen drei Ebenen: Die Schuldenaufnahme geht über das bisherige Limit hinaus, die Zinslasten steigen. Steuervorteile werden massiv bei den Lohn- und Gehaltsabhängigen abgebaut und öffentliche Investitionen gestrichen.

8,5 Milliarden Euro müssen von den Ländern und Gemeinden aufgebracht werden. Was haben wir da zu erwarten?

Es ist unverantwortlich, ja geradezu arrogant, wenn die Bundesregierung die Länder und vor allem die Gemeinden bei der Bewältigung dieser Steuerausfälle alleine lässt. Schließlich ist es den Gemeinden verboten, ihren Anteil von rund 3 Milliarden Euro durch Schuldenaufnahme aufzufangen. Am Ende streichen sie in der Not bei öffentlichen Investitionen –und belasten die Konjunktur.

Haben Sie eine bessere Idee?

Selbstverständlich gibt es Alternativen: Es werden nur der Grundfreibetrag auf das für 2005 geplante Niveau ab 2004 erhöht und der Eingangsteuersatz auf 15 Prozent gesenkt. Um die Wirkung hoch zu halten, erfolgt die Gegenfinanzierung über den Abbau von Steuervorteilen in der Wirtschaft, also etwa durch die Einschränkung der Verlustverrechnung bei der Gewinnermittlung oder dem Abbau von Umsatzsteuervorteilen. Es bleibt beim Spitzensteuersatz 48,5 Prozent bis 2005.

Und die höheren Schulden kann sich der Bund sparen?

Um das Wirtschaftswachstum wieder anzuschieben, reicht die Steuerentlastung nicht aus. Ich schlage vor, dass das geplante Schuldenvolumen von 5 Milliarden Euro, das jetzt zur Finanzierung des gesenkten Spitzensteuersatzes gedacht ist, für ein kommunales Investitionsprogramm genutzt wird. Damit könnte die lokale Wirtschaft mit schnellen direkten und indirekten Aufträgen versorgt werden.