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Archiv-Artikel

Ein Leben für Bürgerrechte und Demokratie

Der Mitbegründer der Gewerkschaft Solidarność, Jacek Kurón, erliegt 70-jährig in Warschau einer schweren Krankheit

BERLIN taz ■ Jacek Kurón, einer der bekanntesten Bürgerrechtler Polens und führender Oppositionspolitiker während des Kommunismus, ist tot. Der 70-Jährige erlag gestern morgen in Warschau einer schweren Krankheit, wie der staatliche polnische Hörfunk berichtete.

Lech Wałesa, der ehemalige Chef der Gewerkschaft Solidarność und spätere polnische Präsident (1990–1995), nannte den früheren Weggefährten einen „Idealisten“. Kurón sei „ein Mann der Linken“ gewesen, „der nicht für seine Zeit geschaffen war, in der die Ideen der Linken durch die Kommunisten weitgehend beeinträchtigt wurden“, sagte Wałesa. „Ohne Jacek hätte es Solidarność nicht gegeben.“

Kurón wurde am 3. März 1934 in Lemberg geboren. Nach einem Studium der Geschichte und Soziologie erarbeitete er eine marxistische Analyse des herrschenden, von ihm als „Monopolsozialismus“ sowjetischer Prägung charakterisierten Systems. Seine Kritik am kommunistischen Regime brachte Kurón in der Folgezeit – mit Unterbrechungen – neun Jahre Haft ein. 1976 gründete er mit dem Historiker Adam Michnik das Verteidigungskomitee der Arbeiter (KOR), das streikende Arbeiter und andere Opfer staatlicher Repressionen unterstützte.

An der Gründung der Gewerkschaft Solidarność, die aus der Streikbewegung Anfang der 80er-Jahre auf den Ostseewerften hervorging, war Jacek Kurón neben Lech Wałesa maßgeblich beteiligt. Für die Gewerkschaft saß er auch ab Februar 1989 mit am „runden Tisch“, an dem die Bedingungen für eine Demokratisierung Polens und erste freie Wahlen ausgehandelt wurden.

Als Minister für Arbeit und Soziales gehörte Jacek Kurón nach der Wende sowohl der Regierung unter dem ersten nichtkommunistischen Premier Tadeusz Mazowiecki (1989–1991) als auch 1992/93 dem Kabinett von Hanna Suchocka an. Die von ihm eingeführte Arbeitslosenhilfe zur Abfederung sozialer Härten in Umbruchzeiten wird noch heute in Polen „Kuroniowka“ genannt.

Als Kandidat für die Freiheitsunion (UW) trat Kurón 1995 bei den Präsidentenwahlen an, landete aber mit nur 9,2 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang auf dem dritten Platz. 1998 wurde Kurón für seine Verdienste im Kampf für ein freies Polen der Orden des Weißen Adlers verliehen – die höchste Auszeichnung, die in Polen vergeben wird. In den letzten Jahren zog er sich aus der Politik zurück, bleib aber sozial engagiert. BARBARA OERTEL