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Archiv-Artikel

Gericht entscheidet über Familie

Gazale Salame wurde vor vier Jahren abgeschoben. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nun über das Aufenthaltsrecht für ihren Ehemann. Darf er bleiben, kann auch Gazale zurück kommen

VON REIMAR PAUL

Vier Jahre nach der Abschiebung der Kurdin Gazale Salame aus Niedersachsen in die Türkei hoffen Unterstützer der Familie auf eine Wende. Am heutigen Dienstag verhandelt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über ein Bleiberecht für Salames Ehemann Ahmed Siala. Er klagt gegen den im Jahr 2001 erfolgten Entzug seines Aufenthaltsrechts durch den Landkreis Hildesheim. Sollte Siala Recht bekommen, bestehen gute Chancen, dass Salame und die beiden jüngsten Kinder des Paares wieder nach Deutschland kommen können.

Am 10. Februar 2005 waren die damals schwangere Salame und ihre jüngste Tochter Schams in die Türkei abgeschoben worden, während Ehemann Siala die beiden älteren Töchter in die Schule brachte. Gazale Salame und ihre kleinen Kinder leben seitdem in einer Vorortsiedlung von Izmir. Die Frau sei krank und leide unter schweren Depressionen, haben Ärzte mehrfach festgestellt. Auch die beiden älteren Töchter, die ohne ihre Mutter leben müssen, seien traumatisiert und in psychotherapeutischer Behandlung.

Gegen die Abschiebung und das auseinander Reißen der Familie haben immer wieder zahlreiche Organisationen protestiert, auch die Kirchen in Niedersachsen setzten sich für die Rückkehr Salames ein. Siala und Salame gehören zu den Mahalmi, einer den Kurden verwandten Volksgruppe, die von der Türkei in den Libanon auswanderte. Im Alter von sechs und sieben Jahren waren Siala und Salame mit ihren Familien nach Deutschland geflohen. Die Behörden werfen ihnen vor, dass die Eltern bei der Einreise eine angeblich bestehende türkische Staatsangehörigkeit verschwiegen hätten. Den Familien sei deshalb zu Unrecht ein Bleiberecht erteilt worden.

„Ahmed Siala und Gazale Salame waren unschuldige, minderjährige Kinder, als sie mit ihren Familien nach Deutschland flohen und haben fast ihr ganzes Leben in Deutschland verbracht“, sagt dagegen Kai Weber vom niedersächsischen Flüchtlingsrat. Eine Abschiebung nach mehr als zwanzigjährigem Aufenthalt sei unverhältnismäßig und unmenschlich, der Verweis der Behörden auf die Möglichkeit eines gemeinsamen Lebens in der Türkei inakzeptabel.

Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) hatte im Oktober 2007 entschieden, dass Siala keinen Anspruch auf ein Aufenthaltsrecht hat, und eine für den Kurden positive Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Hannover kassiert. Da sein Vater türkischer Staatsbürger sei, gelte dies aufgrund des türkischen Abstammungsgesetzes auch für ihn, erklärte das OVG. „Ahmet Siala war nie in der Türkei und spricht kein Wort türkisch“, hält der Flüchtlingsrat dagegen. „Wie soll er dort Arbeit finden und seine Familie ernähren?“

Nach Angaben Webers und der die Familie vertretenden Anwälte sind für die heutige Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht drei Szenarien denkbar. Im für Siala günstigsten Fall kann das Gericht den Entzug der Aufenthaltserlaubnis für unrechtmäßig erklären. Der Kurde bekäme ein Niederlassungsrecht in Deutschland zugesprochen, seine Frau und die kleinen Kinder könnten im Rahmen der Familienzusammenführung nach Deutschland kommen. Eine Hürde dafür hat bereits der Landkreis Hildesheim beseitigt. Er entschied, dass eine bestehende Wiedereinreise-Sperre gegen Salame am 10. Februar, genau vier Jahre nach ihrer Abschiebung, aufgehoben wird.

Möglich erscheint auch, dass Siala ein Aufenthaltsrecht nach der europäischen Menschenrechts-Konvention zugesprochen erhält. Dann dürfte die Familie nur nach Deutschland kommen, wenn die bislang hartherzig agierende Landesregierung dafür aus humanitären Gründen grünes Licht gibt. Nicht ausgeschlossen ist zudem, dass das Gericht ein Aufenthaltsrecht für Siala ganz verwirft. Dann bliebe ihm nur noch der Weg vor den Europäischen Gerichtshof. Die Unterstützer der Familie wollen jedenfalls weiter Druck machen. Für den 9. Februar planen sie in Hildesheim eine neuerliche Kundgebung. „Gazale und Ahmed sind bei uns zuhause“, sagt Weber. „Ihre Heimat ist Niedersachsen!“