weinprobe: „Unkomplizierte“ Sommerweine sind langweilig. Sie sollten heiß-kalt und unberechenbar sein
Born to be wild
Überall werden jetzt „leichte“ und „unkomplizierte“ Tropfen angepriesen, meist sind das dünne Rote, blasse Weiße oder gelangweilte Rosés. Und weil Marketing-Quatsch Konjunktur hat, gibt’s auch noch Barbecue- und Terrassenweine – wobei letztere oft mickrige Balkonweine sind. Kurzum, viel Lärm um wenig. Und warum müssen Sommerweine harmlose und mediokere Weinchen sein? Sommerlust und Trinkspaß, sind für mich ein Fest; der Sommer ist kurz in Berlin, dafür heftig und heiß-kalt, unberechenbar und verwirrend. Und so soll, bitte schön, auch der Wein sein!
LES GARRIGUES
Es sind die Kräuter der südfranzösischen Garrigues, der mediterranen Heide, an die dieser großartige Rote erinnert. Ein fröhlicher Wein, der pures Trinkvergnügen bietet. Beeindruckt mit Nachhaltigkeit, herrlicher Frucht und schokoladigen Aromen, wirkt dabei weder schwer noch dominant. Verkörpert wilde Schönheit und Raffinesse.
Die Trauben wachsen an uralten Rebstöcken im Weinberg La Méjanelle bei Montpellier heran. Und Kultwinzer Pierre Clavel arbeitet dort sehr handwerklich, im Einklang mit der Natur. Dieser Top-Wein gehört zu den legendären und gesuchtesten Weinen des Languedoc, da hier grandioser Genuss und moderater Preis glücklich vereint sind. Also nicht zögern, der Wein ist limitiert und der Sommer kurz …
2001 „Les Garrigues“ Coteaux du Languedoc rouge, Domaine Pierre Clavel, 7,95 Euro im „Weinladen Kreuzberg“, 10965 Berlin Katzbachstr. 21, Tel. (030) 78 90 73 21, Di. bis Fr. 14.00 bis 18.30 Uhr, Sa. 9.00 bis 13.00 Uhr.
CLEMENS BUSCH
Noch ein Tabubruch! Ein halbtrockener Wein? Ja!!! Vergessen Sie alle Vorurteile. Dieser Wein ist ein großes Erlebnis. Denn der stille Clemens Busch ist einer der besten Winzer weltweit. Bereits in den 80er-Jahren stellte er konsequent auf Bio um, suchte und fand seinen eigenen Weg. Am Anfang von seinen Kollegen verlacht, hat er einen grandiosen, ureigenen Weinstil geschaffen. Selten sind Gegensätze so spannungsvoll verschmolzen: Es beginnt mit saftiger Frische, die absolut rund ist. Dazwischen oszillieren ein Hauch Süße und ein atemberaubendes Geflecht von subtilen Fruchtaromen. Ein authentischer und expressiver Wein, voller Nuancen und Verheißungen.
2002 Clemens Busch Riesling Kabinett halbtrocken, Weingut Clemens Busch, Pündrich, Mosel, 7,20 Euro bei „Alles fließt“, 10999 Berlin, Lausitzer Str.1, Tel. (0 30) 6 11 49 42, Mo. bis Fr. 15.00 bis 19.00 Uhr, Sa. 10.00 bis 14.00 Uhr. TILL DAVID EHRLICH
Der Autor ist degustationserfahrener Weinkritiker und -publizist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen