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Im Internet darf weiterhin direkt auf aktuelle Zeitungsartikel verlinkt werden, entschied jetztder Bundesgerichtshof. Der Handelsblatt-Verlag hatte gegen eine Suchmaschine geklagt

aus Freiburg CHRISTIAN RATH

Die Verlagsgruppe Handelsblatt ist mit dem Versuch gescheitert, Suchmaschinen im Internet zu gängeln. Nach einem gestern veröffentlichten Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) dürfen Suchmaschinen ihre Nutzer auch weiterhin direkt per Hyperlink zu Onlinetexten von kommerziellen Anbietern führen.

Konkret ging es um einen Rechtsstreit zwischen dem zum Medienkonzern Holtzbrinck (Zeit, Tagesspiegel) gehörenden Handelsblatt-Verlag und der Suchmaschine www.paperboy.net. Diese vermittelte ihren Nutzern nach Angabe eines Stichworts den Weg zu tagesaktuellen Presseartikeln im Internet. Der Nutzer musste mit der Maus nur noch auf einen so genannten Link klicken, dann konnte er den entsprechenden Text sofort lesen. Man spricht hier von Deep Links, weil die Verbindung nicht auf die Homepages der Zeitungen führt, sondern direkt auf die tiefer liegende Ebene des einzelnen Texts. Der Handelsblatt-Verlag wollte solche Deep Links verbieten lassen: Zum einen sei die Werbung bei Handelsblatt.com überwiegend auf der zentralen Homepage angesiedelt. Deshalb schmälere jeder die Werbeeinnahmen des Verlags, der direkt auf die Artikel verlinke. Außerdem sollten Internetnutzer Handelsblatt.com als Gesamtprodukt begreifen.

Kein Rechtsverstoß

„So wie Paperboy unsere aufwändig erstellten Inhalte nutzt, verstößt dies gegen Urheber- und Wettbewerbsrecht“, sagt Handelsblatt-Verlag-Sprecher Andreas Knauth. Dies sah der BGH anders. Paperboy.net habe die Leistungen von Handelsblatt.com „nicht unlauter ausgebeutet“. Wer Texte frei verfügbar ins Internet stelle, müsse damit rechnen, dass sie von Suchmaschinen erfasst werden. Dies sei letztlich im Interesse aller, denn ohne Suchdienste und Hyperlinks sei die „unübersehbare Informationsfülle des Internets“ praktisch nicht mehr sinnvoll zu nutzen. Es könne dabei auch nicht verlangt werden, dass nur der „umständliche Weg“ über die Startseite von Handelsblatt.com eröffnet wird.

Der Streit hatte grundsätzliche Bedeutung. Neben dem eher unbekannten paperboy.net, dessen Dienste gegen Gebühr abonniert werden mussten, werten auch www.paberball.de oder news.google.de die Internetpresse nach ähnlichen Prinzipien aus. Letztlich hätte ein restriktives Urteil alle Suchmaschinen, auch jenseits von Medieninhalten, beschränkt.

Der Handelsblatt-Verlag wird sich überlegen, ob er die Onlinewerbung auf die Ebene der einzelnen Texte verlagert. Er könnte auch Links von Suchmaschinen einfach technisch abblocken. Damit würde man sich aber ins eigene Fleisch schneiden, da man im Interesse der Werbekunden die Reichweite ja eher erhöhen als beschränken will.

Gebühren als Alternative

Die Alternative zur Werbefinanzierung läge darin, die Nutzer der Internetinhalte direkt zur Kasse zu bitten. Verlagssprecher Andreas Knauth glaubt jedenfalls, dass nach dem jetzigen BGH-Urteil die Bezahlinhalte im Internet an Bedeutung gewinnen werden. Vermutlich versuchte der Handelsblatt-Verlag bisher von Paperboy Lizenzgebühren für die Deep Links zu erhalten. Dafür gibt es nun aber keinerlei Handhabe mehr. Wann sich bei Handelsblatt.com etwas ändert, konnte Knauth noch nicht sagen. Die Druckausgabe des Handelsblatts ist im Internet schon jetzt nur für Abonnenten zu lesen. Im frei verfügbaren Handelsblatt.com-Angebot dominieren kurze aktuelle News-Häppchen, ergänzt durch einzelne Texte aus der Printversion. (Az.: I ZR 259/00sss)