: Historischer Tag für den Kongo
Die Allparteienregierung der bisherigen Kriegsparteien in der Demokratischen Republik Kongo hat ihre Arbeit aufgenommen. Aber wichtige politische Kräfte fühlen sich ausgeschlossen, und Streit um die Kontrolle von Ressourcen überschattet den Frieden
von DOMINIC JOHNSON
Am 17. Januar 1961 wurde Kongos Unabhängigkeitsheld Patrice Lumumba ermordet; am 17. Mai 1997 stürzte Diktator Mobutu Sese Seko; am 17. Juli 2003 ist offiziell der Krieg in der Demokratischen Republik Kongo zu Ende gegangen. Solche Vergleiche prägten die Amtseinführung der neuen Allparteienregierung des Kongo, die am Donnerstag mit den vier Vizepräsidenten begann und gestern mit den Ministern fortgesetzt wurde.
Vier Feinde regieren ab jetzt gemeinsam mit Staatschef Joseph Kabila: Abdoulaye Yerodia aus dem bisherigen Kabila-Lager, Architekt von Anti-Tutsi-Pogromen zu Kriegsbeginn 1998; Azarias Ruberwa, Tutsi und Führer der von Ruanda unterstützten Rebellenbewegung RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie), Jean-Pierre Bemba, Führer der Rebellenbewegung MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung) und mit Anklagen vor dem Internationalen Strafgerichtshof wegen Kriegsverbrechen belegt; und Arthur Zahidi Ngoma, Vertreter ziviler Parteien und laut Umfragen einer der unbeliebtesten Politiker des Landes.
Diese Kombination macht deutlich, was Präsident Kabila meinte, als er dem Kongo letzte Woche eine „bewegte“ Übergangszeit vorhersagte. Schon die Einsetzung der Regierung war bewegt genug: Letztes Wochenende brachten unilaterale RCD-Beschlüsse über die Reorganisation des Militärs den Friedensprozess wieder an den Rand des Scheiterns – die Regierungsbildung wurde zunächst abgesagt. Der Armeekonflikt ist nicht gelöst worden, aber die kongolesischen Führer haben ihre Regierung trotzdem gebildet – dem Ausland zuliebe: Gestern stand im UN-Sicherheitsrat die Abstimmung über ein neues UN-Mandat im Kongo an, und am Mittwoch soll die Weltbank einen Schuldenerlass beschließen.
Während die ehemaligen Kriegsparteien um Militär streiten, entzweien sich die zivilen Kräfte um zivile Ämter. Kongos größte Partei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt) erkennt die neue Regierung nicht an: Sie konnte ihren Führer Etienne Tshisekedi, nach wie vor einen der populärsten kongolesischen Politiker, bei den Verhandlungen um die Postenverteilung nicht als Vizepräsident durchsetzen. Nun boykottiert sie Kongos neue Friedensordnung und ruft zu zivilem Ungehorsam auf: Die Bevölkerung solle „belgische und französische Interessen im Kongo boykottieren“, und man werde den etablierten Diamantenhandel über Belgien einstellen und „neue interessantere Geschäftspartner in den USA, Großbritannien, den Arabischen Emiraten, Kanada und Südafrika“ suchen. Das ist keine leere Drohung: Die Provinz Ostkasai, Kongos wichtigste Diamantenregion, ist Hochburg der UDPS und ging bereits unter Mobutu eigene Wege.
Kongos Ressourcen sorgen auch innerhalb der neuen Regierung für Zündstoff. Bergbauminister Eugène Diomi Ndongala, Vertreter einer kleinen zivilen Oppositionspartei, trat sein neues Amt nur „unter Vorbehalt“ an, als er entdeckte, dass sein Ministerium zentrale Kompetenzen eingebüßt hat. So ist das Bergbaukataster, das Förderlizenzen erteilt und daher korruptionsanfällig ist, jetzt plötzlich eine eigene staatliche Behörde, ebenso die Zertifizierungsstelle für Diamanten, die in Zukunft alle Diamantenexporte genehmigen muss, und die Kommission zur Reform von Kongos größtem Staatsbetrieb „Gécamines“, der die riesigen heruntergewirtschafteten Minen von Katanga betreibt. All diese neuen Einrichtungen werden von Freunden Kabilas geleitet.
Weiterhin wurde die Abteilung Erdöl aus dem Bergbauministerium an das Energieministerium übertragen, das in den Händen eines Kabila-Vertrauten liegt. Die Erdölabteilung ist strategisch und einträglich. Sie betreut Kongos Ölförderung im Atlantik, deren Exporterlös offiziell dem Import nigerianischen Rohöls zum Betreiben von Kongos einziger Raffinerie dient – ein Geschäft mit vielen Möglichkeiten zur kreativen Buchführung. Außerdem ist sie für die Ölsuche in Ituri im Nordosten Kongos zuständig, wofür die Regierung letztes Jahr der kanadischen Ölfirma „Heritage Oil“ eine Konzession vergab. Die wurde zwar bisher nicht genutzt, hat aber zur Eskalation des Krieges in Ituri beigetragen, der auch mit der Regierungsbildung und dem Eingreifen französischer Truppen in Ituri nicht beendet ist.