zahl der woche
: Arbeitnehmer melden sich so selten krank wie seit Jahren nicht mehr

Angst um den Job schlägt auf den Magen

Gut zu wissen: Wir werden immer gesünder! Im ersten Halbjahr 2003 fehlten die deutschen Arbeitnehmer wegen Grippe & Co. knapp vier Tage am Arbeitsplatz. Das sind 3,66 Prozent der Soll-Arbeitszeit und bedeutet den niedrigsten Krankenstand seit der Wiedervereinigung.

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) erklärt den seit Jahren abnehmenden Krankenstand mit „Strukturwandel“. Bei der Teilzeitarbeit gebe es weniger Ausfälle. Mehr Menschen hätten körperlich leichtere Jobs. Sie gehen ins Büro statt auf den Bau. Zyniker könnten demnach der Krise in der Baubranche etwas Positives abgewinnen. Leichtere Arbeit erklärt allerdings nicht, warum im Osten der Krankenstand etwas höher ausfällt als im Westen, schließlich kriselt’s dort am Bau besonders.

Treibt womöglich die Sorge vorm Jobverlust den kranken Menschen ins Büro oder in die Montagehalle? „So pauschal kann man das nicht sagen“, sagt eine Sprecherin Schmidts. Das sieht ein Experte des Kölner Instituts für Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) ganz anders: „Uns nennen viele die Arbeitsplatzangst als Grund dafür, eine Grippe nicht auszukurieren.“ Während Muskel- und Skeletterkrankungen abnähmen, seien Verdauungsprobleme auf dem Vormarsch – Angst schlägt eben auf den Magen. Nach einer Umfrage des AOK-Bundesverbandes gehen neun von zehn Arbeitnehmern auch zur Arbeit, wenn es ihnen nicht so gut geht.

Warum der Krankenstand im Osten ein wenig höher ist als im Westen, wissen die Experten nicht. Schließlich müsste wegen der hohen Arbeitslosigkeit die Angst um den Arbeitsplatz in den neuen Ländern noch größer sein und der Krankenstand entsprechend kleiner. Der BGF-Mitarbeiter vermutet: „Das könnte an der Altersstruktur liegen.“ Die Jungen suchen das Weite, ältere Arbeitnehmer werden nun mal häufiger krank.

Vielleicht könnte das zunehmende Alter der Bevölkerung auch die Antwort auf eine weitere Frage geben, die der sinkende Krankenstand aufdrängt: Warum steigen die Krankenkassenbeiträge, wenn das arbeitende Volk gesundet? BERND MIKOSCH