Die Lust auf die große Bühne

Die Fête de la Musique kommt bei Nachwuchsbands gut an. Sie freuen sich auf ein Konzert vor großem Publikum und ohne Konkurrenzdruck. Den haben sie schon bei der Suche nach Proberäumen

VON OLIVER TRENKAMP

„One, two, three, four“, schreit Ron in sein Mikrofon – Schlagzeug, Bass und seine Gitarre setzen ein. Ron und seine Band Subriss machen Rock ’n’ Roll und dies ist einer ihrer ersten großen Auftritte. Der Inhaber der linken Jugendkneipe „Recht Un’Ordnung“ hatte sie gefragt, ob sie auf der Schöneberger Bühne der Fête de la Musique auftreten wollten. Klar wollten sie, „es gibt schließlich nicht unbegrenzt Auftrittsmöglichkeiten“, erklärt Zerstörn, wie sich der Bassist nennt.

Das war 1999, da gab es die Band gerade einmal zwei Jahre. Nach den drei Rockern trat die neunköpfige Ska-Kombo Ginsengbonbons auf, die hatte sich fast zeitgleich gegründet. Zwar ist die Musik der Bands vollkommen unterschiedlich, doch hatten beide mit ähnlichen Problemen zu kämpfen.

Inspiriert durch das Greenday-Album „Dookie“ machten sich Ron und Zerstörn 1996 auf die Suche nach Instrumenten und einem Proberaum. Schon bald mussten sie feststellten, dass es in Berlin mehr Bands als Übungsmöglichkeiten gab. Das ist auch heute noch so: „Proberäume sind meist ausgebucht“, erklärt Christoph Happel vom Arbeitskreis Medienpädagogik, „die Wartelisten sind lang.“ Der Arbeitskreis unterstützt Jugendliche, die Musik machen wollen.

Die Ginsengbonbons hatten mehr Glück: Im „Haus der Jugend Charlottenburg“ konnten sie direkt loslegen, Instrumente hatten sie schon vorher. „Auch wenn wir unser Bier reinschmuggeln und heimlich trinken mussten“, wie der Ginseng-Gitarrist Max Kullmann schmunzelnd erzählt, waren sie dankbar für die Möglichkeit.

Doch sobald der Proberaum gefunden ist, warten die nächsten Fragen: Wo wird das Demotape produziert? Wo kann man auftreten? Subriss schmiss das Taschengeld zusammen und investierte 500 Mark, um in einem semiprofessionellen Studio in Marzahn einige Lieder einspielen zu können. „Es war nicht perfekt, aber wir konnten den Konzertveranstaltern etwas in die Hand drücken“, sagt Zerstörn. Zunächst spielten sie als Vorgruppe von Rons Vater, dessen Band „Der gelbe Wahnfried“ schon seit Jahren durch die Lande tingelt. Bei einem kleinen Bandwettbewerb machten sie den vorletzten Platz und nahmen’s positiv: „Wir waren nicht die Letzten!“ Mittlerweile haben sie 150 Konzerte in ganz Deutschland gegeben und produzieren ihre erste professionelle CD, die im Februar erscheinen soll.

Die Ska-Truppe hingegen machte es anders: Erst spielte sie auf Privatpartys und Schulkonzerten, dann kamen politische Veranstaltungen dazu: Soli-Konzerte für Mumia Abu-Jamal zum Beispiel. „Da hast du die Chance, vor einem großen Publikum zu spielen“, sagt Max und der Sänger Johannes Lohmann fügt an: „Unsere Texte sind zwar nicht bewusst links, aber wir stehen hinter den Aussagen.“ Primär gehe es um den Spaß an der Musik.

Doch die Ginsengbonbons nutzten nicht nur die in Berlin reichlich vorhandenen politischen Strukturen, sondern spielten auch bei Bandwettbewerben wie Emergenza. Hier schafften sie es ins Finale und traten vor großem Publikum in der Columbiahalle auf. „Die Erfahrung war richtig gut“, sagt Max, „aber diese Wettbewerbe wollen hauptsächlich Talente abgreifen.“ Ähnlich sehen es auch die Jungs von Subriss: „Die Konkurrenz zwischen den vielen Bands ist groß genug, Contests verstärken das nur.“ Sie fordern mehr Festivals, auf denen jeder spielen kann.

Erfahrungen mit Drogen gehören offenbar in der Bandszene zum guten Ton: Beide Bands erinnern sich an Auftritte, die sie wegen des exzessiven Alkohol- und Haschischkonsums nicht vernünftig über die Bühne brachten.

„Für viele Bands ist Musik einfach ein Hobby, wie für andere Fußball“, sagt Medienpädagoge Happel, daher gingen viele auch wieder auseinander. So hat sich Subriss gerade vom Schlagzeuger getrennt, weil der die Musik nicht ernst genug genommen habe. Für die Ginsengbonbons war es vor allem nach der Schule schwer, die Band zusammenzuhalten: „Einige ziehen weg oder müssen arbeiten“, erklärt Max, „man muss sich klar machen, dass man Verantwortung füreinander übernommen hat.“ Bisher hat das geklappt: Heute spielen sie erneut auf der Fête de la Musique, um 18 Uhr auf der großen Bühne am Zionskirchplatz.