Deutsche Ordnung beim Flüchtlingsprotest

50 Flüchtlinge demonstrieren mit einem viertägigen Hungerstreik gegen weitere Abschiebungen ins Krisengebiet Westafrika und den enttäuschenden Kompromiss beim Zuwanderungsrecht. Die Polizei erteilt strikte Auflagen

„Kommerzveranstaltungen dürfen tagelang den Gendarmenmarkt komplett absperren“, moniert Georg Classen vom Berliner Flüchtlingsrat, geht es aber um eine politische Demonstration, dürften sie nicht mal zwei Zelte aufbauen. Die Besatzung von zwei Polizeiwannen achtet penibel darauf, dass sich die rund 50 zumeist togolesischen und kamerunischen Flüchtlinge an die strengen Auflagen halten. Keine Planen, keine Schlafsäcke, nicht mal eine Teeküche durften sie mitbringen. Seit Samstag befinden sich die Flüchtlinge auf Berlins prestigeträchtigem Platz in einem auf vier Tage befristeten Hungerstreik. Nach zähen Verhandlungen sei ihnen zwar gestattet worden, Musik zu spielen – aber nur mit politischen Texten. „Nichts einfacher als das“, sagt Mitorganisator Ralf Lourenco.

Geplant ist der Hungerstreik schon seit einigen Wochen. Der Protest der Flüchtlinge habe aber noch einmal besondere Brisanz bekommen, nachdem sich Bundesregierung und Opposition am Donnerstag auf ein Zuwanderungsgesetz geeinigt haben, so Classen. Besonders enttäuscht zeigen sich die Flüchtlingsinitiativen über das Ausbleiben einer Bleiberechtsregelung für die rund 230.000 Flüchtlinge, die zum Teil bereits seit vielen Jahren in Deutschland leben. Allein in Berlin seien es rund 20.000 Flüchtlinge, die auch weiterhin keine Arbeit oder Ausbildung aufnehmen dürfen, in Sammellager eingewiesen werden, den zugewiesenen Bezirk wegen der Residenzpflicht nicht verlassen und auch keine Deutsch-Kurse in Anspruch nehmen dürfen.

Die Togolesen und Kameruner selbst, zumeist organisiert in der „Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen“, sind vor allem erschrocken über die jüngsten Massenabschiebungen ihrer Landsleute, die per Charterflug in die von Krieg und Diktatur zerrüttete Region Westafrikas zurückgeflogen wurden. „Hungerstreik ist die einzige Sprache, die die deutschen Behörden noch verstehen“, sagt Flüchtling Tchedré Gafar. Dem Außenministerium werfen sie vor, die Lage in Togo und Kamerun mit seinen Länderberichten zu verharmlosen.

Nur zu einem der 15 Ende Mai abgeschobenen Flüchtlinge hätten es die Initiativen geschafft Kontakt zu halten. Dieser sei bei der Ankunft zwölf Stunden lang in Haft genommen worden und habe von Folterungen berichtet, erzählt Lourenco. Von allen anderen fehle jede Spur.

Mit ihrem Hungerstreik hoffen die Flüchtlinge, zumindest beim „4. Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz“ auf Gehör zu stoßen. Dieser Kongress des UNHCR tagt heute und morgen in der Stadt. FELIX LEE