berliner szenen Anschluss finden in Berlin

Das verliebte Faxgerät

Fabian wohnt noch nicht lange in Berlin. Bis vor kurzem hat er in einer Kölner WG gewohnt, in einem Arbeiter- und Rentnerveedel, das ist das rheinische Pendant zu „Kiez“. Einen ISDN-Anschluss gab’s in dieser WG nicht, nur ein einfaches Telefon, das zu den unmöglichsten Uhrzeiten recht oft klingelte – wie das so ist in Wohngemeinschaften. Ex- oder Noch-Freundinnen müssen sich ausheulen oder Psychodruck ausüben, unselige Brötchengeber halten acht Uhr morgens für eine ordentliche Zeit, um darauf hinzuweisen, dass man demnächst mal wieder zur Arbeit zu erscheinen habe.

Dass das kleine, schwarze WG-Telefon (Signum II) dann aber mit Anrufen loslegte, ohne dass ein Anrufer dran war, dass sich am anderen Ende nur ein monotoner Piepton meldete, war schon ein bisschen lästig. „Das ist ein Faxgerät“, so die Erklärung eines Mitbewohners, „das aus irgendeinem Grund die Rufnummer gespeichert hat. Es ist verliebt und verzweifelt, da es sein Anderes nicht findet. Bald wird es aufgeben und woanders sein Glück suchen“, mutmaßte er.

Klingt logisch, dachte Fabian, und tatsächlich hatte dieser Piepton etwas Trauriges, Sehnendes. Die Anrufe des Faxgeräts wurden mit der Zeit seltener und hörten dann ganz auf. Fabian zog nach Berlin. Er bestellte sich bei einem auf seinen Vorruhestand wartenden Telekomangestellten seinen Telefonanschluss, das ging überraschend einfach, er konnte die Leitung der Vormieterin übernehmen, einer unbekannten Frau namens Belli. Eine Freundin überließ ihm einen Apparat aus den Achtzigern (fmt3000), „zugelassen für private Nebenstellenanlagen“, in Grün.

Nach zwei Tagen klingelte es nachts. Auf Fabians Hallo meldete sich ein trauriges Faxgerät mit einem Piepton. RENÉ HAMANN