Pörde strikes back

Nach Hessen nun auch Ostwestfalen: Ein weiteres ödes Dorf macht mobil

„Pork City“ Pörde soll an die Spitze des deutschen Provinz-Rankings gepusht werden

Pörde. Mitte Juli. In Italien tanzt der Berlusconi, in Ostwestfalen-Lippe tut sich nichts. Jedoch nur scheinbar …

Seit kürzlich von diversen Volksmündern an die ostwestfälische Lippe gedrungen war, wie in Jesbach im hessischen Schwalm-Knüll-Kreis durch die unerwartete Lebens-„Hilfe“ gewisser „Herren“ aus der Stadt die alles erstickende Ödnis des deutschen Landlebens mit einem Schlag und mit horrenden „kulturellen“ Folgen überwunden wurde (Die Wahrheit berichtete am 24. 6. und 11. 7. 2003), rüstet der agrarische Musterort Pörde jetzt zum Gegenschlag.

„Schlechte Straßen und nichts zu fressen, das sind die Hessen“, prustet Pördes Ortsvorsteher und Schießwart a. D. Ottmar Trabant. „Dem Hess’ immer feste auf die Fress’“, pflichtet ihm Sohnemann Willi bei. Willis Wangen glühen in Erinnerung an die letzte Keilerei vor zwei Tagen am historischen Grenzstein kurz hinter der Landbiermetropole Wehrburg wie ein frisch versohlter Babyarsch. „Jesbach, hach, das machen wir flach!“, wiehert er wallend.

Mittlerweile haben sich auf dem wie von Hermanns Mannen im Blutrausch gegen die Römer hingerotzten historischen Dorfplatz die Initiatoren des katholisch-ökologischen Bürgerwehrkreises „Power of Pörde – In God we trust“ eingefunden. Sie planen eine Reihe imposanter Aktionen. Ziel: Pörde an die Spitze des deutschen Provinz-Rankings zu pushen.

Bürgermeister Thomas Claus, genannt „Sheriff“, läuft derweil durch Pördes Hauptstraße und schlägt im 1/1-Takt dull wie Oskar auf seine Blechtrommel ein. Da weiß der eingeborene Pörder sofort, was das heißt: Dorfversammlung! Alle Mann ins Aluminiumwalzwerk! Oder zumindest in das, was nach dem alljährlichen Großbrand traditionell dort stehen bleibt – in die Betriebskantine.

Im Nu sind neben diversen Schweinezüchtergeschlechtern und ihrer edlen Brut vor Ort: Brauer Rudi Weckmann, Bäcker Törske, die erste Pörder Königspudelvereinsvorsitzende Klara Fall, Pfarrer Winterbach und die zwanzig zufällig mit dem Wiederaufbau des „wärmsten“ Walzwerkes Westfalens beauftragten polnischen Fachkräfte der Firma Boppke.

„Ihr wisst, warum ihr hier seid, Männer“, ergreift noch vor Bürgermeister Claus der im letzten Augenblick hereingeschneite Schützenkönig Egon III. das Wort. „Tief lebe Hessen!“, grunzt er und hebt einen Kelch mit vierprozentigem Steckrübenmet. „Wir schießen die Hessen in den Himmel, wir feuern sie aus dem Feld, wir fegen sie hinfort, und unser Ort …“

Bäcker Törske unterbricht die zarte Rede. „Schön und gut“, murrt der gefürchtete Bariton, „aber wir müssen mehr auf ziseliertes Eventtiming und eine elaborierte Counter-Strategy setzen, die …“

„Papperlapapp“, fährt Klara Fall dazwischen und schmeißt ihren zwei Wochen alten Königspudelwurf in die alte (kalte) Betriebskantinenfritteuse. Im polnischen Rudel regt sich Unruhe. „Jungs“, interveniert sie fix, „Essen gibt’s später.“

„Also“, versachlicht nun Rudi Weckmann die Debatte, „wie jagen wir Jesbach zum Teufel, ohne einen Fuß ins Hessische“ – Buhlaute ertönen – „setzen zu müssen? Ich verlange Konzepte! Klare!“ Schneidig verhallt die eisern entschlossene Stimme zwischen rostigen Regalen und verkohlten Kapo-Klosetts.

„Nun ja, äh, ich schlage“, winselt Pfarrer Winterbach, „einen achtwöchigen ökologischen Kirchentag vor, mit …“ – „Scheiße.“ – „Scheiße was?“, verliert der Würdenträger seine Würde und nestelt fickrig unter dem Talar herum.

„Ruhig, Pope“, reagiert Rudi rasch. „Pope is’ in Pole’, is’ nix hier, bei Gott“, mault gefährlich brummend einer aus der hinteren Reihe. „Schnauze jetzt alle! Alles hört auf mein Kommando!“, platzt Egon III. da der Kragen. „Augen rechts! Strammgestanden! Präsentiert das Gewehr!“

Plötzlich ist die Szene wie verwandelt. In den Augen der Männer ist ein Funkeln zu sehen, als gäbe es vom Klötzchenkönig fünfzig Liter Freibier. „Lasst uns doch den Hessentag hierher holen!“, kräht wie am Hähnchenspieß Klara Fall, reißt einen Welpen aus der ranzigen Fritteuse und schmeißt ihn dem polnischen Polier zu.

„Monstertraktorrennen!“, schallt es umgehend. „Open Thomas-Mann-Slam bei Mellwig!“ – „Weitfixen!“ – „Wettmelken!“ – „Schnellschlachten!“ – „Bördebrunch!“ – „Rasen mähen!“ – „Haare schneiden!“ – „Ausschlafen!“ – „Bier trinken!“ – „Och nö. Nich’ schon wieder!“ – „Was?“ – „Na, weitfixen!“

Ob das alles „Pork City“ Pörde seinem Ziel näher bringt? Warten wir’s ab. KLAUS LEWEKE,

JÜRGEN ROTH