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Archiv-Artikel

Kuhhandel mit Ausbildungsplätzen

Hamburger Wirtschaft lässt Muskeln spielen: Handelskammer will neuen Ausbildungspakt offenbar nur dann umsetzen, wenn Rechts-Senat strittige Berufsschulstiftung ins Leben ruft. Zum 1. August müssen Berufsschulen 266 Lehrerstellen einsparen

von EVA WEIKERT

Die Handelskammer hat ihren Druck auf Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (parteilos) erhöht, die umstrittenen Pläne einer Berufsschulstiftung umzusetzen. Nach taz-Informationen knüpft die Kammer die landesweite Umsetzung des jüngst zwischen Bundesregierung und Wirtschaft vereinbarten Ausbildungspaktes an die Bedingung einer Privatisierung der Hamburger Berufsschulen. Die 48 Lehrstätten erwarten zugleich massive Einschnitte: Bis zum 1. August sollen dort insgesamt 266 Lehrerstellen wegfallen, das entspricht einer Kürzung von etwa zehn Prozent.

Morgen wollen Bürgermeister Ole von Beust (CDU), Dinges-Dierig und die Kammerspitze vor die Presse treten, um über die Umsetzung des Lehrstellenpaktes im Stadtstaat sowie die Berufsschulreform zu berichten. Nachdem Bund und Wirtschaft vergangene Woche die Schaffung von jährlich 30.000 neuen Lehrstellen verabredet hatten, hatte die hiesige Handelskammer 480 neue Ausbildungsplätze für Hamburg versprochen.

Wie die taz jetzt aus gut unterrichteten Kreisen erfuhr, knüpft die Kammer gegenüber Dinges-Dierig die Schaffung neuer Lehrstellen an die Forderung, zum Schuljahr 2005/2006 die Berufsschulstiftung zu gründen. „Das ist so nicht richtig“, widersprach Kammer-Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz gestern auf Nachfrage, räumte aber ein: „Die Zukunft der Berufsschulen wird in Zusammenhang mit dem Ausbildungspakt diskutiert.“ Dieser müsse durch „einen Ausbildungskonsens flankiert werden“. Dazu gehöre die Frage, wie Betriebe und Schulen „besser kooperieren können“.

Aus Sicht der Handelskammer gewährleistet dies das Stiftungsmodell (siehe Kasten). Dieses ist ein Kind des früheren Schwarz-Schill-Senats. Seine Kritiker warnen, die Dominanz von Wirtschaftsvertretern im Stiftungskuratorium verstoße gegen den gesetzlichen Erziehungsauftrag des Staates. Nach heftigen Protesten von Lehrern, Schülern und Gewerkschaften hat die neue Bildungssenatorin versprochen, die Pläne zu überprüfen. „Die Gespräche mit der Handelskammer laufen weiter, am Mittwoch wird der Diskussionsstand berichtet“, hieß es gestern in der Bildungsbehörde. Dass die Kammer die Schaffung neuer Ausbildungsplätze an die Stiftung binde, sei dort „nicht bekannt“.

Der Rechts-Senat geht davon aus, durch die Organisation der Berufsschulen in Stiftungsform „Effizienzgewinne“ zu erzielen. Den unterstellten Effekt beziffert die Bildungsbehörde auf drei Millionen Euro oder 64 Lehrerstellen. Diese gehören zu insgesamt 266 Lehrerstellen, welche zum 1. August an den Berufsschulen wegfallen sollen. Die Einrichtungen erbringen damit rund ein Viertel der an allen Hamburger Schulen einzusparenden Lehrerstellen.

Zwar ist die Zahl der Berufsschüler mit einer Lehrstelle im aktuellen Ausbildungsjahr um 778 gesunken, wie Personalrat Bernd Viet errechnete. Zugleich sei jedoch die Zahl der Schüler in vollzeitschulischen Bildungsgängen wie Berufsfachschulen um 1.795 angestiegen. Wie der Personalrat warnte, soll das bisher zweijährige Lernangebot im Zuge der Stellenkürzungen auf ein Jahr schrumpfen. Viet: „Für eine qualifizierte Ausbildung ist das zu kurz, so dass die Absolventen keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben.“