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Archiv-Artikel

Orthodoxe Hochschule macht wieder auf

Nach jahrelangem Hin und Her soll die berühmte Bildungseinrichtung bei Istanbul ihre Pforten im Herbst öffnen

ISTANBUL taz ■ Die 1971 geschlossene, weltberühmte orthodoxe theologische Hochschule auf einer Insel vor Istanbul soll wieder eröffnet werden. Im Gespräch mit der taz kündigte Metropolit Apostolos Daniilides, Abt des Klosters, das die Hochschule beherbergt hatte, an, dass er mit einer Aufnahme des Lehrbetriebes noch in diesem Herbst rechne. „Wir haben zwar noch keinen offiziellen Bescheid“, sagte der Metropolit, doch die Signale aus der Regierung in Ankara seien ermutigend.

Auch der Patriarch der orthodoxen Kirche in Istanbul, Bartholomäus I., bestätigte letzte Woche in Wien, dass er mit einer Wiedereröffnung rechne. Damit würde die türkische Regierung nicht nur eine wichtige Geste gegenüber Griechenland machen, sondern auch einen Wunsch aller übrigen EU-Staaten erfüllen.

Die Hochschule, die in ihren besten Zeiten rund 120 Schüler und Studenten umfasste, ist eine Institution noch aus der Zeit des Osmanischen Reiches. Sie wurde 1844 gegründet, um den Nachwuchs an Priestern und Diakonen für die zu der Zeit noch mehrere hunderttausend griechische Christen umfassenden orthodoxen Gemeinden in Konstantinopel und dem übrigen Reich zu gewährleisten. Die Hochschule auf der Insel Heybeli – im griechischen Chalki – überstand nahezu ohne Unterbrechung alle politischen Umbrüche bis 1971.

Der Niedergang begann erst, als in den 50er-Jahren viele Griechen Istanbul verließen. Als Reaktion auf die Unterdrückung der türkischen Minderheit auf Zypern kam es zu Ausschreitungen gegen die Griechen in Istanbul. Die andauernden Angriffe auf die Türken auf Zypern führten dann 1971 zur Schließung der Hochschule. Mit der Verbesserung der türkisch-griechischen Beziehungen und der Annäherung der Türkei an die EU ist nun schon seit Jahren ihre Wiedereröffnung im Gespräch. „Wir sind darauf vorbereitet“, sagt Metropolit Daniilides. Ein Rundgang auf Heybeli bestätigt dies. Klassenräume und Bibliothek machen den Eindruck, als könne der Unterricht morgen beginnen.

Bislang war eine Wiedereröffnung der Schule auch immer daran gescheitert, dass das Patriarchat und die jeweiligen türkischen Regierungen sich über den rechtlichen Status nicht einigen konnten. Während Ankara die Ausbildungsstätte an die theologische Fakultät der Istanbuler Universität angliedern wollte, pochte der Patriarch auf Unabhängigkeit. Heute lehnt auch die Universität eine Angliederung des Priesterseminars ab, weil dies nicht jedem interessierten Studenten offen stünde. Wird das Priesterseminar jedoch offiziell zu einer privaten Uni erklärt, besteht die Gefahr, dass dann auch etliche islamische Zirkel ihre private Uni eröffnen wollen. Nach Angaben des Metropoliten hat die Regierung jetzt trotzdem zugestimmt, dass die Hochschule formale dem Bildungsministerium unterstellt wird, ansonsten aber autonom arbeiten kann. Deshalb werden jetzt gesetzliche Änderungen notwendig. Falls diese noch vor der Sommerpause erledigt werden können, wird die Hochschule von Heybeli wohl noch rechtzeitig zur EU-Entscheidung über die Türkei ihre Pforten wieder öffnen. JÜRGEN GOTTSCHLICH