: Ein junges Abenteuer
Zehn Jahre Volksbegehren und -initiativen in Niedersachsen: Gottesbezug in der Verfassung und Kita-Finanzierung kamen durch
aus HannoverKai Schöneberg
Da funktionierte die Demokratie: als es gegen den Euro und 2002 gegen die Zuwanderung ging. Die von den Republikanern initiierten Begehren scheiterten kläglich. Auch wenn mit Volksabstimmungen Populisten eine Plattform gegeben werden kann, zieht Thea Dückert genau zehn Jahre nach Inkrafttreten des niedersächsischen Volksabstimmungsgesetzes eine positive Bilanz: „Das ist doch die einzige Möglichkeit, um etwas gegen Politikverdrossenheit zu tun“, sagt Dückert – heute Grünen-Abgeordnete im Bundestag –, die damals im niedersächsischen Landtag zu Hannover mit SPD und CDU um Quoren und Fristen stritt.
Als der Landtag am 23. Juni 1994 das Gesetz durchwinkte, war Niedersachsen schon spät dran: In den meisten Bundesländern gab es seit Jahrzehnten basisdemokratische Elemente in der Verfassung. „Wir orientierten uns an den Gesetzen in der Schweiz und Bayern“, sagt Landeswahlleiter Karl-Ludwig Strehlen, der bei der Organisation der Abstimmungen hilft.
Sechs Begehren und neun Initiativen haben bislang stattgefunden. Viel zu wenig, findet Tim Weber von „Mehr Demokratie“. Das Gesetz sei „stark reformbedürftig“. Auch schon 25.000 Unterschriften sollten reichen, damit der Landtag über eine Volksinitiative debattiert – und nicht 70.000. Außerdem sei das Quorum von 25 Prozent der Wahlbeteiligten beim Volksentscheid viel zu hoch (siehe Kasten). Weber: „20 Prozent reichen auch.“
Immerhin hat das junge Abenteuer Demokratie in Niedersachsen auch schon kleine Erfolge zu verzeichnen: Mit 114.000 Unterschriften kam gleich 1994 der Gottesbezug in die Präambel der Landesverfassung, 75.000 Unterschriften setzten 1997 durch, dass der Standort des ADAC-Hubschraubers Christoph 30 in Wolfenbüttel erhalten blieb. Nur 16 Idealisten unterschrieben hingegen in diesem Jahr für ein gebührenfreies Studium. Auch eine Initiative der Jungen Union gegen die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre scheiterte 1997 mit nur 167 Stimmen.
Fast zu einem Volksaufstand führte hingegen 1999 der Krach um die Gelder für die Kindertagesstätten. Mit 690.000 Unterschriften waren zwar deutlich mehr als nötig für das Begehren zusammengekommen. Die damalige SPD-Regierung musste aber erst eine Schlappe vor dem Staatsgerichtshof in Bückeburg einstecken, bevor sie die Kitas wieder, wie gewünscht, direkt vom Land finanzieren ließ.
Dass es schon reichen kann, mit einer Volksinitiative zu drohen, zeigte sich gestern. Kurz nachdem der Bund der Steuerzahler (BdSt) eine Forsa-Umfrage präsentiert hatte, in der sich 82 Prozent der Befragten für eine Verkleinerung des niedersächsischen Landtags schon im Jahr 2008 aussprechen, fielen die Fraktionschefs von CDU und FDP um: „Sparpolitik bedeutet für Politiker auch, bei sich selbst zu beginnen. Wir wollen damit ein Zeichen in schwierigen Haushaltszeiten setzen“, erklärten David McAllister und Philipp Rösler gestern gemeinsam in einer eilig berufenen Pressekonferenz.
Nach großem Gejammere der um ihren Job bangenden Parlamentarier und einem Machtwort aus der Staatskanzlei erklärten sich die Parlamentarier schließlich doch bereit, die Zahl der Sitze von regulär 155 auf 135 schon zur nächsten Wahl zu reduzieren. Vor wenigen Wochen hatte McAllister noch angekündigt, erst 2013 verkleinern zu wollen.
Vorausgegangen war die Ankündigung von SPD, Grünen, BdSt und Gewerkschaften, die CDU/FDP-Mehrheit im Landtag per Volksinitiative zum Schrumpfen verdonnern zu wollen. Allerdings ist auch hier ein Stück Populismus mit im Spiel: Die Initiative ging nämlich ausgerechnet von SPD-Fraktionschef Sigmar Gabriel aus. Dessen Partei hatte sich in der Regierung jahrelang um die Verkleinerung des Landtags gedrückt.