mendelssohn-preis
: Flick und Schramm und die Geschichte

Innerhalb weniger Monate nun also der zweite Fall in Berlin, da eine gute Idee in den deutschen Strudel von Nazischuld, Verstrickung und Generationenfolge gerät: Seit Monaten Empörung gegen die geplante Ausstellung von Friedrich Christian Flick, nun Proteste der Jüdischen Gemeinde gegen Ort und Zeit der Ehrung der früheren Landespolitikerin Hilde Schramm mit dem Moses-Mendelssohn-Preis. In beiden Fällen geht es im Kern darum, dass beider Vorfahren, Vater und Großvater, vom Hitler-Regime und seinen Verbrechen profitierten. Sind die Widerstände gegen Ausstellung und Ehrung berechtigt?

KOMMENTAR VON PHILIPP GESSLER

Schuld springt nicht von einer Generation auf die kommende, Verantwortung schon. Deshalb ist es nicht übertrieben, nach den Ahnen zu fragen und danach, wie ihre Nachkommen mit diesem Erbe umgehen: Enkel Flick sagt, er wolle der Stadt Gutes tun und auch seiner Familiengeschichte eine helle Seite hinzufügen. Das ist durchaus ehrenwert – aber warum sträubt er sich dagegen, dass neben seiner Ausstellung auch dokumentiert wird, woher das Geld kommt, das den Kauf seiner Kunstwerke ermöglichte? Hat er wirklich begriffen, welche Verantwortung ihm seine Familiengeschichte aufträgt?

Hilde Schramm dagegen scheint etwas tiefer nachgedacht zu haben: Sie engagiert sich für Nachkommen von Holocaust-Opfern und für ehemalige NS-Zwangsarbeiter. Und sie besitzt die Noblesse, sich nicht aufzuregen, wenn sie jetzt durch die öffentliche Diskussion beschädigt wird. Flick könnte von Schramm lernen. Sie hat mehr verstanden.