: Holocaust-Gedenken: Zentralrat bleibt fern
Der Zentralrat der Juden hat es satt, im Bundestag beim Gedenken am 27. Januar eine Statistenrolle zu spielen
Mit 120 Millionen Euro soll die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau in den nächsten 15 Jahren vor dem Verfall gerettet werden. Bedroht sind insbesondere die ehemaligen Häftlingsbaracken und die Ruinen der Krematorien und Gaskammern. Sie stehen auf feuchtem Grund. Schimmel und Moder machen sich breit. Auch das Archiv, in dem Briefe, Häftlingslisten, Fotos und Prozessunterlagen aufbewahrt werden, muss dringend renoviert werden. Der Internationale Auschwitz-Rat hat daher Mitte Januar eine Stiftung ins Leben gerufen, die den Erhalt der Gedenkstätte sichern soll. Einer der Hauptkapitalgeber soll die Bundesrepublik sein. Berlin bestätigte bereits sein Engagement und sagte finanzielle Unterstützung zu. Seit 1947 trägt der polnische Staat die Kosten in Höhe von rund 6 Millionen Euro jährlich weitgehend allein. Anfang der 1990er-Jahre hatte Deutschland 30 Millionen Mark (ca. 15 Millionen Euro) für Sanierungsarbeiten beigesteuert. TAZ
BERLIN taz ■ Die Gedenkfeier des Bundestags für die ermordeten Juden Europas ist von einem Eklat überschattet worden. Der Zentralrat der Juden in Deutschland verzichtete darauf, mit einer Vertreterin oder einem Vertreter an der Gedenkstunde am Dienstag in Berlin teilzunehmen.
Der Vizepräsident des Zentralrats, Dieter Graumann, erklärte der taz, dieses „bewusste Fernbleiben“ sei ein „kleines, feines Zeichen“. In den vergangenen Jahren sei man immer „ein bisschen enttäuscht“ gewesen, dass die früher im Bundestag anwesenden Präsidenten des Zentralrats, Ignatz Bubis, Paul Spiegel und nun Charlotte Knobloch, dort nur „als Statisten, als Komparsen“ behandelt worden seien. „Wir wünschen uns ein bisschen mehr Respekt“, sagte Graumann.
Seit 1996 wird der 27. Januar als Tag des Gedenkens an die sechs Millionen jüdischen Opfer der Nazis in Europa begangen. Der damalige Bundespräsident Roman Herzog hatte den Gedenktag eingeführt. Er erinnert an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 durch sowjetische Truppen.
Graumann unterstrich, er wünsche sich „mehr Fingerspitzengefühl“ beim Umgang mit dem Zentralrat an diesem Tag. Der Gedenktag und diese Feier seien zwar von den öffentlichen Stellen gut gemeint. Das Zentralratspräsidium sei sich jedoch einig, dass man dieses Jahr dieses Zeichen setzen wollte. Neben Knobloch und Graumann gehört dem Präsidium des Zentralrats noch der Frankfurter Gemeindevorsitzende Salomon Korn an. Graumann betonte, das Fernbleiben des Zentralrats bei dieser Feier solle „nicht für alle Zeit“ fortbestehen.
Schon zuvor hatte der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer, der Verärgerung in seiner Organisation über frühere Gedenkfeiern im Bundestag Luft gemacht. Bei den Feiern sei von seiner Organisation niemals ein Überlebender des Holocaust offiziell begrüßt worden – weder Bubis noch Spiegel oder Knobloch. Kramer sagte: „Es mutet schon ein wenig bitter an, dass die Überlebenden an der Spitze dieser Spitzenverbände nur als Zaungäste betrachtet werden.“ Schon vor Jahren habe der Zentralrat um eine offizielle Begrüßung während der Feier gebeten. Das Protokoll aber, so hieß die ablehnende Antwort, sehe einen solchen Programmpunkt nicht vor. Kramer zeigte sein Unverständnis über diese Ablehnung. Sie sei respektlos und widerspreche dem Geist der Veranstaltung.
Bei der Feierstunde rief Bundespräsident Horst Köhler angesichts zunehmender antisemitischer Angriffe zur Solidarität mit den in Deutschland lebenden Juden auf. „Stellen wir uns an die Seite unserer jüdischen Landsleute“, sagte das Staatsoberhaupt. „Wer sie angreift, greift uns alle an.“ Die Verantwortung aus der Schoah sei ein Teil der deutschen Identität, sagte Köhler weiter.
Abiturienten der Berliner Sophie-Scholl-Oberschule lasen während der Gedenkstunde Auszüge aus dem Buch „Kinder über den Holocaust. Frühe Zeugnisse 1944–1948“ vor. An der Veranstaltung nahm auch Bundeskanzlerin Angela Merkel teil. Köhler ging in seiner Rede nicht auf die Absage des Zentralrats ein. PHILIPP GESSLER