: Nazis sollen in Vorstadt bleiben
Entwurf will Demos extremistischer Gruppen an Erinnerungsorten für die Opfer von Gewaltherrschaft verbieten. Verfassungsrechtler: Versammlungsfreiheit in Gefahr
BERLIN taz ■ Extremisten sollen nicht mehr überall marschieren dürfen. Dies sieht ein Gesetzesentwurf zur Verschärfung des Versammlungsrechts aus dem Innenministerium vor, dessen Wortlaut in Auszügen von „Spiegel Online“ veröffentlicht wurde. In dem Entwurf heißt es, dass eine Versammlung verboten oder eingeschränkt werden kann, wenn sie „an einem Ort stattfindet, der in eindeutiger Weise an die Opfer einer organisierten menschenunwürdigen Behandlung erinnert und er als nationales Symbol für diese Behandlung anzusehen ist, und die Versammlung geeignet ist, diese menschenunwürdige Behandlung der Opfer zu billigen, zu leugnen oder zu verharmlosen“.
Aber der Entwurf aus dem Hause Otto Schilys (SPD) geht noch weiter. Auch eine Versammlung, die nicht an symbolträchtigen Orten stattfindet, kann verboten werden, wenn sie die „nationalsozialistische oder andere Gewalt- und Willkürherrschaft oder terroristische Vereinigungen oder terroristische Straftaten“ in einer Weise verherrliche, die geeignet sei, „den öffentlichen Frieden zu gefährden“. Bisher durften Demos nur unterbunden werden, wenn handfeste Hinweise auf „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ vorlagen.
Seit im Januar 2.000 Hakenkreuzfahnen vor dem Brandenburger Tor und in Fernsehkameras geschwenkt wurden, haben die Innenminister der Bundesländer einstimmig für eine Änderung des Versammlungsrechts votiert. Sie beauftragten Otto Schily, einen Entwurf vorzulegen. Die Juristen des Hauses bastelten vier Jahre lang daran. Fraglich ist, ob der Entwurf die Billigung des Bundesverfassungsgerichts findet. Der linke Verfassungsrechtler Jürgen Seifert warnt vor einer gefährlichen Entwicklung. „Damit wird eines der wertvollsten Grundrechte eingeschränkt“, sagte er der taz. „Das haben die Innenminister in ihrer Dunkelkammer der Demokratie ausgeheckt.“ Er halte ortsbezogene Versammlungverbote für verfassungsmäßig fragwürdig. ANNA LEHMANN
DANIEL SCHULZ