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Archiv-Artikel

Die Suche nach dem Super-Meister

Das Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig stellt Alte Meister aus, die bislang im Depot schmachteten. Per Publikumsentscheid sollen drei der Bilder in die Dauerausstellung gewählt werden. Ist das direkte Demokratie oder ein Marketing-Gag? Man weiß es nicht. Die taz hat die 99 Werke vorab besichtigt und schickt nun ihre Favoriten ins Rennen

Von MAP

„Küss mich wach!“, steht auf der Postkarte und zu sehen ist darauf eine garstige Kröte, der die Zunge aus dem Maul hängt. Auf der Rückseite findet sich ein Kästchen, dort kann man die Nummer seines Lieblingsbildes eintragen, von 1 bis 99.

Das ist die Anzahl der Bilder, die das Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig aus seinem Depot ausstellt. Der Gag: Wenn die heute eröffnete Ausstellung am 26. April schließt, werden die Briefkästen am Ausgang geleert und die Karten ausgewertet. Die drei Bilder, die den meisten Publikumsapplaus einheimsen, dürfen auf der Bühne der großen Kunst bleiben, sprich: wandern später in die Dauerausstellung. Der Rest geht den Weg der Requisiten: zurück ins Magazin.

Man kann das begrüßen. Die direkte Demokratie erobert das bildungsbürgerliche Museum! Keine Expertenkultur! Man kann sich aber auch wundern. Denn vielleicht ist das Ganze nur ein Marketing-Ding, mit dem das Museum versucht, seine ollen Alten Meister an den Mann zu bringen. MAP

Fotohinweise: Hektors Abschied von Andromache:

Eigentlich ist die Bildungshubereimalerei von Johann H.W. Tischbein kaum zu ertragen. Aber hier hat er mal eine zeitlose Szene gemalt. Den jungen Hektor hält nichts, nicht die Frau, nicht das Kind. Er hat zu tun, hat Held zu sein. Später sollte der Western diese Szene immer wieder nachdrehen, Cowboyhut statt Federbuschhelm, Siedlerhäuschen im Hintergrund anstelle der Basilika. Und heute? Sind‘s die Chefetageler der Marke Ackermann, die diese Szene nachspielen. Hut ab, Tischbein!

Fladen- und Waffelesser:

Harmloses Vergnügen, denkt man sich: Zur Zeit des Utrechter Malers Jan von Bylert ging die Jugend nicht flatrate-saufen, man traf sich ganz einfach auf ein paar gemeinsame Waffeln. Aber weit gefehlt. Waffeln aß man damals zur Karnevalszeit, das Gebäck stand symbolisch für einen ausgelassenen, höchst unzüchtigen Lebenswandel. Womit wir wieder bei den alten Meistern wären: Nichts ist, wie es scheint, hinter Kindereien verbergen sich immer die schlimmsten Schweinereien.

Bildnis eines Malers:

Das Beste an diesem Bild: Keiner weiß, wer’s gemalt hat. Das ist eigentlich bei vielen alten Meistern so. Bei Rembrandt etwa, dessen Werk mit den Jahren so arg zusammengeschmolzen ist, dass man sich schon fragt, ob es diesen Maler überhaupt gab. Oder Goya: Gerade musste der Prado zugeben, dass der „Koloss“ von seinem Assistenten stammt. Aber es kann ja auch andersrum gehen. Und dann findet man heraus, dass unser Bild hier der einzig wahre Rembrandt ist.