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Archiv-Artikel

CSU-Mitglied kostete 100 Euro

In der Münchner CSU wurden anscheinend Gelder für Neueinsteiger gezahlt und Aufnahmeanträge gefälscht. So legen es E-Mail-Ausdrucke nahe. Offen ist noch, ob damit Wahllisten manipuliert werden sollten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt

aus München JÖRG SCHALLENBERG

Der Münchner CSU droht ein neuer Skandal. Schon vor einigen Monaten wurden Vorwürfe über gefälschte Mitgliedsanträge und Wahlmanipulationen in Ortsvereinen laut – nun sind E-Mail-Ausdrucke aufgetaucht, aus denen hervorgehen soll, dass neue CSU-Parteimitglieder mit Geld angeworben und für ihr Wahlverhalten bezahlt wurden. Monika Hohlmeier drohen schwere Zeiten, dabei wird die neue Münchner CSU-Chefin als die größte Hoffnung für die Zeit nach Edmund Stoiber gehandelt.

„Hallo Christian“, beginnt eine der E-Mails, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen – und der Autor fährt fort: „habe einen von den beiden Perlacher Bekannten ‚geworben‘“. Weiter heißt es: „Einziger Nachteil: Er kostet 100 Euro, wird aber auch JU-Mitglied und ist absolut zuverlässig.“ Unterschrieben hat ein „Max“. Dahinter verbirgt sich, wie das Betreff verrät, das CSU-Mitglied Maximilian Junker. Empfänger dieser E-Mail vom 5. November 2002 war der Münchner CSU-Stadtrat Christian Baretti, in Kopie ging sie auch an den Münchner JU-Vorsitzenden Rasso Graber und an den Landtagsabgeordneten Joachim Haedke. Er ist ein Hohlmeier-Vertrauter. Das Ganze ist kein Einzelfall, es existieren eine Reihe ähnlicher Ausdrucke.

Alle betroffenen CSUler haben erklärt, dass es sich um Fälschungen handeln müsse. Doch es existieren weitere Hinweise, die auf ein System des Mitgliederkaufs und der Fälschung von Mitgliedsaufträgen hindeuten. So ermittelt die Münchner Staatsanwaltschaft bereits seit März gegen CSU-Mitglied Junker und seinen Bekannten Oliver Melka. Nun liegen den Ermittlern laut SZ die Kopien von 35 Aufnahmeanträgen vor, die gefälscht sind. Die aufgeführten Personen wissen zum großen Teil nichts davon, dass sie CSU-Mitglied sein sollen. Melka hat daraufhin zugegeben, diese Anträge gefälscht zu haben – weil er von Junker dazu gedrängt worden sei. Beide haben offenbar auch die Kundenkartei einer Versicherung genutzt, um Daten für fiktive Neumitglieder zu bekommen.

Offen bleibt noch, ob mit diesen Anträgen und bezahlten Strohmännern auf Parteiversammlungen die Aufstellung eines Landtagskandidaten und die Wahl eines Kreis- sowie eines Ortsvorsitzenden im Münchner Südosten manipuliert worden sind. Hingegen scheint sich der Verdacht der Geldzahlungen für die Mitgliederwerbung zu erhärten. Denn die Staatsanwaltschaft verfügt über eine handgeschriebene Liste des Münchner JU-Chefs Graber, auf der neben Namen von Neumitgliedern vierstellige Geldsummen notiert sind. Graber verteidigt sich: Ein Unbekannter habe ihn mit diesen Namen erpressen wollen, die Gelder seien nie gezahlt worden.

Viele CSUler hoffen nun auf das Durchgreifen von Monika Hohlmeier. Sollte aber ausgerechnet ihr enger Parteifreund Joachim Haedke in die Machenschaften verwickelt sein, muss die neue Münchner CSU-Bezirksvorsitzende aufpassen, dass sie beim Ausmisten nicht selbst ein paar Kratzer abbekommt.