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Archiv-Artikel

Caroline schüttelt die Verfolger ab

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt Deutschland wegen mangelhaften Schutzes der Privatsphäre

Caroline von Monaco wird den Belagerungsring aus Paparazzi los. In Zukunft darf die Prinzessin bei privaten Handlungen in der Öffentlichkeit nicht mehr fotografiert werden. Gestern entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, dass die deutschen Gerichte Carolines „Recht auf Privatleben“ bisher zu wenig geschützt haben.

Konkret hatte Caroline gegen die Veröffentlichung von Fotos geklagt, die sie beim Einkaufen oder beim Reiten zeigen. Vor allem in Frauenzeitschriften, der so genannten Yellow Press, gab es auch einen lukrativen Markt für solche Bilder, der mit ständig neuen Schnappschüssen gefüttert werden musste. Deshalb belagerten Boulevard-Fotografen die in Frankreich lebende Prinzessin oft rund um die Uhr. „Nie kann sie unbeobachtet das Haus verlassen, sie fühlt sich wie ein Tier im Zoo“, beschrieb Anwalt Matthias Prinz die Situation seiner Mandantin.

Nur zwei Einschränkungen hatte die deutsche Rechtsprechung bisher gewährt. Auch in der Öffentlichkeit könne es „Orte der Abgeschiedenheit“ geben, wo Prominente nicht fotografiert werden dürfen – etwa beim Rendezvous im Restaurant. Zudem seien keine Fotos möglich, wenn der Prominente von seinen Kindern begleitet wird. Bei allen übrigen Auftritten in der Öffentlichkeit konnten „Personen der Zeitgeschichte“ bisher auch ohne ihr Einverständnis abgelichtet werden.

Dies hielt der Straßburger Gerichtshof für „nicht ausreichend“. Die deutschen Gerichte hätten „keine faire Balance“ zwischen der Pressefreiheit und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte gefunden. Deshalb sei das „Recht auf Schutz des Privatlebens“ verletzt, das in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert ist, so der einstimmige Beschluss des Gerichtshofs unter dem portugiesischen Vorsitzenden Ireneu Cabral Barreto.

Eine Ohrfeige ist dies vor allem für das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Dies hatte 1999 entschieden, dass auch die Yellow Press wichtige Beiträge für die Meinungsbildung der Gesellschaft leiste. Gerade Berichte über das Alltagsleben von Prominenten böten „Orientierung bei eigenen Lebensentwürfen“, so die Verfassungsrichter. Straßburg sieht dies offensichtlich ganz anders. Fotos aus dem Privatleben von Caroline seien „kein Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse“, es gehe nicht um die Verbreitung von Ideen und Meinungen.

Ob und wie viel Schadenersatz die Prinzessin bekommt, ließ das Gericht des Europarats, dem 45 Staaten angehören, vorerst offen. Hierüber soll Caroline zunächst mit Deutschland verhandeln. Die Bundesregierung kann gegen die Entscheidung Rechtsmittel einlegen. „Wir prüfen das“, so Klaus Stoltenberg vom Bundesjustizministerium.

Das Straßburger Urteil betrifft formal zwar nur diesen Einzelfall, doch geht die Wirkung weit darüber hinaus. Denn künftig kann jeder nach Straßburg gehen, wenn die deutschen Gerichte die nun verkündeten Grundsätze nicht beachten.

In Verlagskreisen wird jetzt überlegt, ob die neue Rechtsprechung auch für das Privatleben von Politikern gilt. Hier gehe es schließlich auch um deren Vertrauens- und Glaubwürdigkeit. „Das werden wir austesten“, sagte ein Verlagsjurist, der ungenannt bleiben wollte, zur taz.

CHRISTIAN RATH