Alle wollen Hartz verschieben …

… nur SPD-Chef Müntefering nicht. Unionspolitiker kritisieren die Arbeitsmarktreform als zu hart. Auch Grüne fürchten, dass Arbeitslose mehr gefordert als gefördert würden

BERLIN epd/afp/taz ■ Der kirchenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Hermann Kues (CDU), hat seine Kritik am Arbeitslosengeld II bekräftigt. Die Leistung, die ab 2005 die Arbeitslosenhilfe ersetzen soll, sei ungerecht und zu niedrig, sagte Kues der Nachrichtenagentur epd.

Es werde einen Aufschrei geben, wenn das vierte Hartz-Gesetz zur Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe in der Praxis angewendet werde. Er gehe davon aus, dass das Gesetz korrigiert werde: „Davon bin ich fest überzeugt.“ Der CDU-Politiker kritisierte indirekt auch die Rolle seiner eigenen Partei bei der Verabschiedung des vierten Hartz-Gesetzes Ende vergangenen Jahres. Im Vermittlungsausschuss von Bundestag und -rat seien Beschlüsse gefasst worden, „deren Tragweite bis heute kaum jemand überblickt. Dass damals nicht solide gearbeitet wurde, ist für mich offenkundig.“

Auch andere Unionspolitiker kritisieren Hartz IV mittlerweile als zu hart. Der Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse (CDA), Hermann-Josef Arentz, fordert, die Umsetzung zu verschieben. Für einen „Raubzug gegen die Langzeitarbeitslosen“ stehe die Union nicht zur Verfügung, sagte Arentz der Chemnitzer Freien Presse. Wenn die bessere Betreuung der Erwerbslosen nicht garantiert sei, „ist das Gesetz den Betroffenen nicht zuzumuten“.

Es gehe nicht an, dass den Menschen massiv das Geld gekürzt werde und die schnellere Vermittlung von Jobs bleibe auf der Strecke, sagte Arentz weiter. Zugleich plädierte Arentz dafür, die Anrechnung der Lebensversicherung für das neue Arbeitslosengeld II noch einmal zu überdenken.

Für ein Verschieben der Reform hat sich auch der „Wirtschaftsweise“ Peter Bofinger ausgesprochen. Man sollte „ernsthaft darüber nachdenken, ob man dieses Arbeitslosengeld II um ein halbes Jahr verschiebt“, sagte er gestern. Man wisse überhaupt nicht, „wie sich diese Maßnahme auf die konjunkturelle Entwicklung in Ostdeutschland auswirkt“. Dort werde es schließlich die meisten „Arbeitslosengeld-II-Bezieher“ geben.

Befürchtungen, dass das Gesetz zum „Fordern und Fördern“ von Arbeitslosen diese mehr fordern als fördern wird, machen sich inzwischen auch bei den Grünen breit. Barbara Steffens, grüne Sozialpolitikerin im nordrhein-westfälischen Landtag, erklärte: „Sollte sich abzeichnen, dass Hartz IV nicht vollständig umgesetzt werden kann, muss ernsthaft über eine Verschiebung des Zeitplans nachgedacht werden.“

So deute sich zum Beispiel an, „dass der Teil, der die Arbeitsangebote betrifft, nicht überall bis zum 1. Januar 2005 ausreichend geregelt werden kann“. Steffens plädierte dafür, „Gespräche zwischen Bundestag und Bundesrat über eine mögliche Veränderung des Zeitplanes von Hartz IV aufzunehmen“. Dies sei auch im Vermittlungsausschuss möglich.

SPD-Parteichef Franz Müntefering erklärte gestern erneut, Hartz IV werde nicht verschoben. Allerdings sei dies davon abhängig, dass im Bundesrat eine Einigung gefunden werde, wie der Bund die Kommunen für ihre Mehrkosten entschädigt.