„Einem Wicht traut man nichts zu“

Der Düsseldorfer Parteienforscher Ulrich von Alemann sieht die PDS nur in einem vorübergehenden Zwischenhoch. Die großen Erfolge im Osten schadeten eher dem West-Wachstum, in NRW bleibe die PDS aber eine Splitterpartei

taz: Die PDS jubelt über ihr verdoppeltes Wahlergebnis bei den Europawahlen – zu Recht?Nein, das sehe ich überhaupt nicht. Sie verfügt noch nicht einmal über die Hälfte der Sperrklauseln. Sie konnte ein paar Proteststimmen absahnen, aber sie bräuchte das Zehnfache an Stimmen.

Trotzdem ist das prophezeite allmähliche Dahinsiechen der Partei nicht eingetreten.Das war eine Fehleinschätzung, ja. Sie ist aber vor allem im Osten stabilisiert und hat dort riesige Erfolge. Genau das aber ist das Problem: Ein großer Gewinn in Thüringen und ein kleiner in Nordrhein-Westfalen lässt die Schere innerhalb der Partei noch weiter auseinander klaffen. Da haben FDP und Grüne ihre Gräben zwischen Ost und West viel besser zuschütten können.

Woran hapert es denn?Es hapert an Glaubwürdigkeit. Die Partei ist im Osten entstanden und dort in den einzelnen Städten verwurzelt, sie hat dort eine Tradition, wenn auch problematische. Hier trat sie zum Teil das Erbe der DKP an, die auch nur ein recht unglückseliges Dasein als Splitterpartei fristet.

Alle BürgerInnen fordern eine sozialere Gesellschaft, warum gelingt es der PDS nicht, dieses Thema zu besetzen?Offensichtlich wird es ihr nicht abgenommen, sie wird gar nicht wahrgenommen. Einem kleinen Wicht traut man nicht zu, wirklich etwas verändern zu können.

Wird die PDS auch bei den Kommunalwahlen im September Proteststimmen absahnen?Die Ergebnisse werden so ähnlich sein wie bei den Europawahlen. Bei beiden geht es den Wählern darum, ihre Stimmung auszudrücken, ihrem Ärger Luft zu machen, das ist positiv für die PDS. In Wirklichkeit interessieren sich die Menschen nämlich kaum für den Rat in ihrer Stadt, das mag man bedauern, ist aber so. Erst wenn es um den Bundestag geht, denken die Wähler strategisch und überlegen sich langfristige Optionen.

Welche Partei wird denn an die PDS verlieren?Alle Parteien werden an die Nichtwähler verlieren, dieser Trend wird anhalten. Die SPD wird eine Wahlniederlage einfahren, die CDU wird siegen, die Grünen werden gut abschneiden und die FDP so einigermaßen. Und die PDS wird weiter unter ferner liefen auftauchen.

INTERVIEW: ANNIKA JOERES

Fotohinweis: Ulrich von Alemann (60) ist Professor für Politikwissenschaft an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Uni. Er forscht zum Parteiensystem in Deutschland.