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Archiv-Artikel

Musiksenderanhängsel

Viacom wird nach der Übernahme der Viva Media AG den Musik-TV-Markt umkrempeln. Ob Viva selbst bleibt, ist fraglich, denn Erfolg hat nur die „angeschlossene“ Produktionsfirma Brainpool

AUS KÖLN SEBASTIAN SEDLMAYR

Wie muss sich Dieter Gorny gefühlt haben, als die Typen von MTV in Frankfurt mit breitem Grinsen die Übernahme seines Kölner Babys verkündeten? Nach mehr als zehn Jahren wird Viva, der erste deutsche Musiksender, nun von Viacom, dem Mutterkonzern des Erzrivalen MTV, geschluckt. Doch Gorny gibt sich trotz der faktischen Niederlage der Viva Media AG nicht geknickt – er soll, so die gegenwärtige Ansage, an der Seite von MTV Deutschland-Chefin Catherine Mühlemann weiterhin die Viva-Geschäfte führen. Schon vor ein paar Wochen, als die Gerüchte über einen Buy-out öffentlich wurden, frohlockte Gorny seit langem mal wieder: „Das zeigt, dass wir profitabel sind.“

Na ja, die Viva Media AG machte 2003 42 Millionen Euro Verlust – und das ist nicht dem Musikkanal zu verdanken. Für Viacom könnte da eher dessen Abwicklung interessant sein. Wozu braucht man schließlich vier Musikkanäle (Viva, MTV, Viva Plus, MTV 2) unter einem Dach? Doch Gorny ist unbeirrt gut drauf: „Eigenständige Viva-Programme“ solle es weiterhin geben, sagte der 50-Jährige. Ein eigenes Profil hätte Viva auch dringend nötig. Abgeguckte Dating-Shows und eingekaufte Mangas im Nachtprogramm sind die Innovationshighlights eines Programms, das zahlungswillige Werbekunden derzeit kaum zu locken vermag.

Aber einen profitablen Geschäftsbereich gibt es auch: die Produktionsfirma Brainpool, Die hat mit Shows wie „tv total“, „Ladykracher“ oder „Anke Late Night“ ziemlich erfolgreiche – und im Fall von „Anke“ zumindest zukunftsträchtige – Formate im Programm. Brainpool wurde 2001 von Viva geschluckt – mittlerweile hat man allerdings den Eindruck, es sei andersherum gewesen. Ohne die profitablen Ideen der Brainpooler unter ihrem Chef Jörg Grabosch sähe es für Viva noch düsterer aus. Daher stellt sich tatsächlich die Frage, wen Viacom nun eigentlich kauft: einen kränkelnden Musiksender mit dem florierenden Unternehmensbereich Brainpool? Oder eine profitable Produktionsfirma mit einem lästigen Musiksenderanhängsel?

Nach dem Willen von Viacom soll Brainpool in Köln bleiben. Viva angeblich auch. Doch das muss nicht auf Dauer gelten. Ein schneller Umzug zur neuen Schwester MTV nach Berlin ist zwar schon deshalb unwahrscheinlich, weil die Investition in 25.000 Quadratmeter Studios und Büros im Kölner Stadtteil Mülheim sich noch nicht amortisiert hat. Sobald hier ein Abnehmer gefunden ist, fiele der Umzug ans Spreeufer allerdings nicht mehr so schwer.

Nur noch zwei bis drei

Erst mal kommt aber das Kartellamt ins Spiel, das dem Kauf zustimmen muss. „Es handelt sich um ein kontrollpflichtiges Vorhaben“, erklärte Sprecherin Anja Scheidgen. Denn wer künftig den 14- bis 29-Jährigen das Taschengeld für Handyklingeltöne, Alcopops oder die Playstation zwischen den Videos von „Black Eyed Peas“ und „Fettes Brot“ aus den tief sitzenden Hosentaschen locken will, kann sich nur noch an einen Konzern wenden. Allerdings gibt es bislang keine Anzeichen, dass das Kartellamt das Musikfernsehen als einen eigenständigen Markt ansieht, nur dann wird es problematisch, denn Viva und MTV kommen im Gesamtmarkt gemeinsam gerade mal auf 4 Prozent Marktanteil – in ihrer Kernzielgruppe. Musikkanäle gibt es neben den vier Viacoms sonst nur noch Onyx, und aus dem soll schon bald das zweisprachige Dokumentationsprogramm „terra nova“ werden.

MTV-Chefin Mühlemann sagte am Donnerstag auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Viacom-Präsident Tom Freston, dass in Deutschland vermutlich nur noch Platz für „zwei bis drei“ Musikkanäle sei. Ob Viva selbst bleibt oder nicht – Viva Plus und MTV2Pop stehen jedenfalls zur Disposition. Und Viva Plus bietet noch ein verborgenes Filetstück für Viacom: seinen lukrativen Kabelplatz. Der Kabelzugang bliebe auch ohne Spruchbänder übrig und könnte bequem mit Sendungen aus den reichen Archiven des drittgrößten Medienkonzerns der USA bestückt werden, zu dem zahlreiche amerikanische Fernsehsender und das Hollywood-Studio Paramount sowie die UCI-Kinokette gehören.

Der 81-jährige Medientycoon Summer Redstone, der nun als Vorstandschef von Viacom auch über die kleine Kölner Senderfamilie herrscht, ließ seine designierte MTV-Viva-Chefin Catherine Mühlemann jedenfalls ausrichten, es werde künftig „komplett verschiedene Sender“ geben. Fragt sich nur, welche.