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Archiv-Artikel

Zwei Fliegen mit einer Klappe

Der Versuch von EU-Kommissarin Loyola de Palacio, das deutsche Mautsystem zu stoppen, löst Spekulationen aus

Am Mittwoch glaubten die meisten noch an ein Missverständnis. Die EU werde lediglich prüfen, ob Ausgleichszahlungen für deutsche Spediteure eine ungenehmigte Beihilfe darstellen. Der Start des deutschen Mautsystems zum 31. August sei nicht in Frage gestellt, versicherte Verkehrsminister Manfred Stolpe (SPD). Inzwischen hat die für Verkehr zuständige spanische Kommissarin Loyola de Palacio mehrfach bekräftigt, dass sie meint, was sie sagte: Die Maut kann erst erhoben werden, wenn die Prüfung abgeschlossen ist.

Kenner der spanischen Innenpolitik sehen zwischen Palacios Entwurf für ein europaweites Mautsystem und der zeitgleichen Verhinderung ähnlicher Pläne in Deutschland keinen Widerspruch. „Palacio ist nicht Prodi“, versichert ein Kenner der Kommission. „Sie hat Rechtsspezialisten in ihrem Kabinett, die das wasserdicht machen, was sie politisch erreichen will.“

Erreichen will die 53-jährige Politikerin offensichtlich zweierlei: Ihr Name soll in der EU mit einem zukunftsträchtigen Wegekosten-Modell verbunden werden. Gleichzeitig sollen die spanischen Wähler sich kommenden März daran erinnern, dass sie die spanischen Spediteuren vor einer unzumutbaren Last bewahrt hat. Das Staatsfernsehen, das seine Schlagzeilen sonst nur Palacios Schwester Ana, der Außenministerin, widmet, brachte sie Mittwochabend ganz groß raus: „Loyola de Palacio stoppt das deutsche Mautsystem.“ Das bringt Sympathien.

Kenner der Szene bestätigen, dass Palacio beste Beziehungen zum spanischen Wirtschaftsminister Rodrigo Rato unterhält, der als Nachfolger von Premier Aznar im Gespräch ist. Seine Nichte arbeitet in ihrem Kabinett. Er war es auch, der sie für den Kommissionsposten vorschlug. Wie der Karrieresprung von Brüssel nach Madrid funktioniert, hat Schwester Ana schon vorgemacht. Sie saß für die Konservativen im Europaparlament, bevor Aznar sie zur spanischen Außenministerin machte.

Nun reduziert sich alles darauf, wer die besseren Nerven und vor allem die besseren juristischen Berater hat. Noch glauben die deutschen Verkehrspolitiker, sie hätten einen Trumpf im Ärmel: Fällt die Rückerstattung von Mineralölsteuer an Lkw-Unternehmen in Brüssel durch, bleibt immer noch die Möglichkeit, den Betroffenen einen Teil der Kfz-Steuer zu erlassen oder Investitionsprogramme für schadstoffarme Lkw aufzulegen.

Doch auch diese Hilfen hat Palacio schon ins Visier genommen. In einem Memorandum ihrer Abteilung, das der taz vorliegt, schlägt sie vor, diese von Berlin als unbedenklich eingestuften Kompensationen eben-falls zu überprüfen. Nach ihrem eigenen Entwurf für eine Wegekosten-Richtlinie ist eine Reduzierung der Kfz-Steuer aber erlaubt. Das Signal an Deutschland, Frankreich, Österreich und Großbritannien, die an nationalen Lösungen basteln: Wenn sie sich im Rat für die Palacio-Richtlinie einsetzen, lösen sie damit zu Hause alle Probleme.

Andernfalls droht Deutschland ein langwieriges Prüfverfahren. Da die Bundesregierung schon Anfang März 2002 in Brüssel anfragte, ob die Maut-Pläne EU-Recht entsprechen, könnte zwar alles schon über die Bühne sein. Aber dann wäre Loyola de Palacio im spanischen Wahlkampf längst wieder aus den Abendnachrichten verschwunden.

DANIELA WEINGÄRTNER