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Archiv-Artikel

Im freien Fall Richtung Gosse

Drogendokumentation zeigt auf: Verelendung von Hamburgs Süchtigen nimmt rapide zu. Immer weniger Konsumenten verfügen über Arbeit und Wohnraum

„Für eine Kommentierung ist es noch zu früh“, wehrt Hartmut Stienen Nachfragen ab. Dann erklärt der Sprecher der Gesundheitsbehörde, dass die erst seit wenigen Tagen vorliegende „Basisdatendokumentation“ über die „ambulante Suchthilfe in Hamburg“, kurz Bado-Bericht genannt, „in die Gespräche mit anderen Behörden und Trägern über die Fortentwicklung der Drogenhilfe einfließen“ werde.

Kein leichtes Unterfangen, denn die Zahlenerhebung zeigt eindeutig: Hamburgs Drogenabhängigen geht es schlechter als je zuvor, die Kürzungen des gelb-schill-schwarzen Vorgängersenats tragen erste bittere Früchte. Doch die Behörde hat sich verpflichtet, die Drogen- und Suchthilfe in den kommenden zwei Jahren weiter zusammenzustreichen. 2005 müssen 805.000 Euro eingespart werden, 2006 gar noch einmal 1,228 Millionen Euro ersatzlos wegfallen.

Der Mitte vergangener Woche veröffentlichte Bado-Bericht, der die Daten von über 11.000 drogensüchtigen Hamburger dokumentiert, zeigt die dramatische Verelendung der Szene auf: Weit mehr suchtkranke Konsumenten von Alkohol und illegalisierten Drogen als noch im Jahr zuvor waren 2003 ohne Erwerbsarbeit und eigenen Wohnraum. Die soziale Isolation der Abhängigen hat ebenso zugenommen wie die Durchschnitts-Länge ihres Vorstrafenregisters.

„Im Jahr 2003 betreuten die ambulanten Suchthilfeeinrichtungen Drogenabhängige in deutlich desolaterer Lebenslage“, fasst der Bericht zusammen. Seine Empfehlungen: Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten, die (ehemals) Süchtige wieder an den Arbeitsmarkt heranführen, müssen genauso geschaffen werden wie bezahlbarer Wohnraum und betreute Wohnprojekte für Drogenkranke.

Doch gerade die werden zusammengekürzt, klagt Dietmar Guse von „Therapiehilfe e.V.“. „Das Hamburger Chaos auf dem Zweiten Arbeitsmarkt“ bekämen gerade die Abhängigen zu spüren. Da sich immer mehr Vermieter über Bewerber für eine Wohnung Schufa-Auskünfte einholten, hätten „Suchtkranke auf dem Wohnungsmarkt keine Chance mehr“. Daneben seien die großen staatlichen Wohnungsgesellschaften wie Saga und GWG „immer seltener bereit, ehemalige Drogenabhängige aufzunehmen“.

Der Bado-Bericht dokumentiert zudem eine deutliche Zunahme der Crack-Konsumenten im Vorjahr. Die Zahl der Alkoholiker, die aus suchtbelasteten Familien kommen, hat sich auf über 50 Prozent erhöht. Viele Suchtkranke haben bereits in ihren Familien Gewalt erfahren, vor allem Frauen auch sexualisierte Gewalt. Marco Carini