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Archiv-Artikel

Doch alles gar nicht so autoritär?

In wenigen Tagen feiert der Iran das 30. Jubiläum der Islamischen Revolution. Welche Machtkonstellationen prägen seitdem das Land? Der Politologe Volker Perthes möchte ein Bild vom Iran jenseits verblendeter Mullahs zeigen

VON BAHMAN NIRUMAND

Sieht man von einigen Ausnahmen ab, vermitteln die westlichen Medien im Allgemeinen ein Bild vom Iran, das Entsetzen und Furcht erzeugt. Dieses Bild wird auch noch von vielen selbsternannten Nahostexperten – man weiß nicht, woher sie in den letzten Jahren zuhauf aufgetaucht sind – noch weiter ausgeschmückt.

Volker Perthes, Leiter der Stiftung Wissenschaft und Politik und ausgewiesener Kenner Irans, versucht mit seinem Buch „Iran – eine politische Herausforderung“, das Bild des Irans zurechtzurücken. Ohne Zweifel konfrontiere Iran die Weltgemeinschaft mit Problemen, die sich aber nur lösen ließen, wenn man die Fähigkeit, Iran richtig zu „lesen“, mitbringen würde, schreibt er.

Denn würde man von der Vorstellung ausgehen, Iran werde „von üblen Kräften regiert, die kein anderes Ziel haben, als Atomwaffen zu erwerben, um damit andere Staaten zu bedrohen oder zu zerstören“, dann gäbe es wohl kaum einen Spielraum für Verhandlungen, dann wäre jede Hoffnung auf Problemlösungen vergeblich.

Perthes lässt die Geschichte der Islamischen Republik Revue passieren und resümiert, dass in jeder Phase, selbst in der gegenwärtigen unter Präsident Ahmadinedschad, nicht ideologische, sondern letztendlich nationale Interessen den Ausschlag für politische Entscheidungen gegeben hätten. Dies bedeute, dass der iranische Staat trotz seiner eindeutig islamischen, ja auch islamistischen Orientierung, nicht fundamentalistisch und emotional vorgehe, sondern seine Entscheidungen nach Abwägung realer Gegebenheiten treffe.

Interessant ist vor allem die Einschätzung des Autors, dass der Iran keinen autoritären Staat bilde, wie jene im Nahen und Mittleren Osten. Es handele sich vielmehr „in mehrfacher Hinsicht um ein hybrides System: Es kombiniert republikanische und theokratische, demokratische und autoritäre oder despotische sowie […] moderne und traditionelle Elemente“. Diese Zwitterhaftigkeit entspreche einer pluralistischen Machtkonstellation, die dem Staat Stabilität verleihe und die Möglichkeit biete, Krisen rational zu bewältigen.

Was Volker Perthes allerdings nicht erwähnt, ist, dass diese Charakterisierung nur für das islamische Lager gilt, in dem es tatsächlich eine Vielfalt von Strömungen und Machtinstanzen gibt, die miteinander rivalisieren. Sie gilt aber nicht für den Umgang des Regimes mit der eigenen Gesellschaft, die mit massiver Gewalt im Zaum gehalten wird. Auch die weit verbreitete iranische Zivilgesellschaft, die trotz Repressionen und starker Einschränkungen dem Regime Grenzen setzt, kommt in der Analyse kaum zur Geltung.

Vielleicht schien Perthes die Charakterisierung des Regimes ausreichend, um westliche Politiker darüber aufzuklären, „dass die Islamische Republik ein rationaler oder ‚logisch‘ handelnder Akteur ist, der Chancen und Risiken abwägt und den eigenen Nutzen zu mehren sucht“. Iran habe zwar aufgrund der Ereignisse der letzten Jahre, seine Position in der Region ausbauen können. Das Land verfüge über einen großen Einfluss im Afghanistan, im Irak und Libanon, unter den Palästinensern und in den Staaten am Persischen Golf.

Dennoch fühle es sich bedroht, weil es von US-Streitkräften umzingelt ist und weil Washington aus seiner Absicht, einen Regimewechsel im Iran herbeizuführen, keinen Hehl gemacht hat. Sollte nun Iran tatsächlich die Absicht haben, Atombomben zu bauen, dann sei diese Absicht eher auf ein Sicherheitsbedürfnis zurückzuführen als auf ein vermeidliches Ziel, die Nachbarn oder Israel zerstören zu wollen.

Die Konsequenz aus dieser Analyse sollte laut Perthes auch im Hinblick auf den Atomstreit dazu führen, dass man „statt weiter auf einen vollen (Uran-)Anreicherungsverzicht zu bestehen, eher eine Übereinkunft anstreben sollte, die strikte Begrenzungen eines unabhängigen iranischen Brennstoffkreislaufprogramms, weitestreichende Sicherheitsgarantien und eine Integration des iranischen Atomprogramms in ein multilaterales Format vorsieht“.

Bleibt die Frage, warum die USA zumindest bisher – unter Bush – ähnliche Vorschläge stets bewusst blockiert haben. Auf diese Frage geht Perthes leider nicht ein. Wäre es nicht möglich, dass es, wie im Falle Iraks, auch im Iran tatsächlich um einen Regimewechsel ging?

Volker Perthes: „Iran – eine politische Herausforderung. Die prekäre Balance von Vertrauen und Sicherheit“. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main 2008, 159 Seiten, 9 Euro