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Archiv-Artikel

Ministerin Fischer für sicheren Sex

Gesundheitsministerin Fischer klagt über den fahrlässigen Sexualverkehr ihrer BürgerInnen. Die Zahl der Neuinfizierungen mit dem HIV-Virus stagniert bei 400 pro Jahr, Syphilis breitet sich wieder aus

VON ANNIKA JOERES

NRW-BürgerInnen sind aufgeklärt, aber sorglos: „Um Aids ist es ruhiger geworden“, sagt NRW-Gesundheitsministerin Birgit Fischer (SPD) gestern in Düsseldorf. „Dabei ist Aids weiterhin ein großes Problem“. Die rückläufige Kondombenutzung vor allem bei neuen Partnerschaften und in riskanten Situationen sei ein Signal, dass sehr ernstgenommen werden müsse.

NRW liegt im Vergleich aller Bundesländer mit etwa 170 Aids-Fällen pro eine Millionen Einwohner im oberen Drittel, vor allem in Köln und Düsseldorf sind viele Menschen infiziert. Die Aidshilfe NRW rechnet künftig mit etwa 400 Neuinfektionen und rund 170 neuen Aids-Kranken pro Jahr in NRW. 87 Prozent der Aidskranken sind nach wie vor Männer, zudem steigen die Zahlen der positiv-getesteten Menschen mit Migrationshintergrund. Nach Angaben der Aidshilfe werden zwischen Rhein und Weser jedes Jahr rund 170 Aidskranke sterben.

Trotzdem brauche laut Fischer NRW keine neue Aids-Politik. „Wir haben eine tragfähige örtliche Beratungsstruktur“, sagt Fischer. Zum Beispiel seien 60 Youth-Worker an Schulen unterwegs, um über die tödliche Krankheit aufzuklären. Insgesamt gibt das Land jährlich 4,4 Millionen Euro für die Aids-Prävention aus. „Dies unterstreicht den besonderen Stellenwert der Aids-Bekämpfung“, so Fischer.

Ein Stellenwert, um den die Aidshilfe jedes Jahr neu kämpfen muss: Im vergangenen Jahr wurden die angedrohten Kürzungen in diesem Bereich erst nach massiven Protesten wieder zurückgenommen. Sollten die Steuereinnahmen in diesem Jahr abermals geringer ausfallen als erwartet, fürchtet die Anlaufstelle wieder um ihre Existenz. Ihre 44 kommunalen Ableger mussten schon in diesem Jahr leiden: „Die krebsen alle herum“, sagt Guido Schlimmbach, Sprecher der NRW-Aidshilfe in Köln.

„Dabei besteht absolut kein Grund zur Entwarnung.“ Auch er sieht die aufkommende Sorglosigkeit als größtes Problem. „Die Infos liegen den Menschen zu Füßen, aber sie finden kein Gehör.“

Ein Zeichen für den sorglosen Umgang mit dem Sexualverkehr ist die Zunahme von sexuell übertragbaren Krankheiten. Besonders in Ballungsgebieten wie dem Ruhrgebiet oder Köln sind Geschlechtskrankheiten auf dem Vormarsch: „Wir beobachten in den letzten drei Jahren in Ballungsgebieten eine Steigerung von mehreren hundert Prozent“, sagt Norbert Brockmeyer, Leiter der HIV-Ambulanz des Bochumer St. Josefs-Hospitals. Noch Anfang der 90er Jahre sei Syphilis quasi „eine Rarität“ gewesen, im letzten Jahr hätten sich über 30 Menschen aus allen Bevölkerungsschichten angesteckt. „Geschützter Geschlechtsverkehr wird seltener.“