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Archiv-Artikel

Europa soll das Saarland retten

Kurz vor der EU-Osterweiterung forcieren Politiker des kleinsten Flächenlandes die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Sie wollen die Selbstständigkeit des Zwergstaates sichern – und verhindern, dass die Region in Europa an den Rand gerät

aus Saarbrücken KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Mit der Osterweiterung wird die Europäische Union bald noch größer – und damit auch unübersichtlicher. Wohl auch deshalb wird das Schlagwort vom „Europa der Regionen“ derzeit just im Saarland wieder neu entdeckt. Mit einer ganzen Serie von Initiativen haben Landespolitiker jeder politischen Couleur zu Beginn der Sommerpause versucht, der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im alten Herzen der EU neuen Schwung zu verleihen. Von einem „Labor Europas“ spricht etwa der saarländische CDU-Fraktionschef Peter Hans, und sein SPD-Kollege Heiko Maas rühmt in ungewohnter Eintracht die „Vorreiterrolle“ der Region.

Auch die saarländischen Grünen, derzeit zur außerparlamentarischen Opposition degradiert, verlegten ihren Europaparteitag Ende Juni ins lothringische Forbach. Dort lobte Gastredner Daniel Cohn-Bendit, im Moment noch für die französischen Grünen im Europaparlament, seine Parteifreunde von der Saar. Mit ihrer Initiative hätten sie eine „wichtige Scharnierfunktion für die Zusammenarbeit der Regionen“ übernommen.

Da wollte sich auch die CDU nicht lumpen lassen. Die Landtagsfraktion lud den Generalrat des französischen Departements Moselle nach Saarbrücken ein. „Wir wollen die grenzüberschreitenden Kontakte nicht nur der Exekutive überlassen, sondern auch die Legislative in den Prozess der Zusammenarbeit einbinden“, sagte dazu Fraktionschef Hans. Der Präsident des Generalrats, Philippe Leroy, sprach sogar von einem „Tandem Moselle-Saar“.

Es tut sich also etwas im Westen des Kontinents – auch wenn die Konstruktion bislang den spröden Namen „Saar-Lor-Lux“ trägt. Doch der ursprünglichen Initiative der Grenzregionen Saarland, Lothringen und Luxemburg haben sich längst das belgische Wallonien im Westen und Teil des benachbarten Rheinland-Pfalz im Osten angeschlossen. Das Gebiet deckt sich annähernd mit dem Areal des historischen Lotharingen, das der Karolinger Lothar II. bei der Teilung des Frankrenreichs im Jahr 843 zugesprochen bekam.

Angesichts der bevorstehenden EU-Osterweiterung betrieb der saarländische Ministerpräsident Peter Müller, im Nebenberuf Präsident des grenzüberschreitenden „Gipfels der Großregion“, die Installation einer hochkarätig besetzten Kommission „Zukunftsbild 2000“. Doch es gibt neben der Sorge, im vergrößerten Europa an den Rand zu geraten, auch andere Triebfedern für die Zusammenarbeit. Die Lothringer etwa wittern eine Chance, sich vom zentralistischen Zugriff aus Paris zu emanzipieren. Und die Saarländer hoffen, „Saar-Lor-Lux“ werde die lästige Debatte über die Lebensfähigkeit des kleinsten deutschen Flächenlandes endlich beenden.

Rund fünf Millionen Menschen bevölkern die Region. Knapp 100.000 Personen pendeln schon heute zur Arbeit über die Grenzen, die meisten aus Lothringen und dem Saarland nach Luxemburg. Im Saarland haben rund 30.000 Franzosen Arbeit gefunden. Die grenzüberschreitende Arbeitsvermittlung in Saarbrücken soll ausgeweitet werden. Jetzt wollen auch die Handwerkskammern ihre Lehrlingsausbildung grenzüberschreitend organisieren. Private und universitäre Institute erarbeiten zur Zeit Konzepte für die Vernetzung von Verkehr und Tourismus.

Auch die Bahn hat jetzt reagiert und bietet seit Mitte Juli ein verbilligtes „Saar-Lor-Lux-Ticket“ für das grenzüberschreitende Reisen an. Auch über einen „Europa-Schnellzug“ wird diskutiert. Er soll Brüssel mit Straßburg verbinden – über Luxemburg und Saarbrücken.

Es geht also voran mit dem „Labor Europas“. 2007 soll mit „Saar-Lor-Lux“ erstmals eine ganze Region „Kulturhauptstadt Europas“ werden. Die Vorbereitungen dazu laufen schon – grenzüberschreitend unter der Federführung Luxemburgs.

Nur eines stört noch: der bürokratische Name „Saar-Lor-Lux“. Rund 3.000 Vorschläge für einen neuen Begriff liegen in der Saarbrücker Staatskanzlei bereits vor. Doch keiner sei brauchbar, heißt es dort. Schließlich soll der neue Name auch der Einbindung von Wallonien und der Pfalz gerecht werden. Womöglich bleibt am Ende nur die bewährte Variante übrig: Lotharingen.