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Archiv-Artikel

Auch Union debattiert P-Frage

Bundespräsident Rau will erst nach der Bayernwahl sagen, ob er noch mal antritt. Unions-Fraktionsvize Bosbach ist für Rollstuhlfahrer Schäuble: „Das würde vielen Menschen Mut machen.“ Ex-CDU-Chef nennt Kandidatur „verführerisch“

Raus Verzicht wäre ein Eingeständnis, dass in Bayern für die SPD nichts zu holen ist

von LUKAS WALLRAFF

Bundespräsident Johannes Rau macht es spannend. Die Entscheidung darüber, ob er bei der nächsten Bundespräsidentenwahl im Mai 2004 noch einmal antritt, habe er „längst gefällt“, sagte Rau am Wochenende. Er werde sie aber erst Ende September, nach der Landtagswahl in Bayern, öffentlich verkünden. Warum das Zögern? Erst nach der Bayernwahl, so Rau, sei klar, welche Partei wie viele Stimmen in der Bundesversammlung hat, die den nächsten Präsidenten wählt. Erst dann könnten sich auch die Parteien mit diesem Thema „seriös beschäftigen“.

Der wahre Grund ist simpler: Rau plagt schon jetzt der Abschiedsschmerz. Was er verhindern wolle, sei eine „wilde Debatte über das Amt und die Person des Bundespräsidenten“ schon in der Sommerpause, sagte Rau der Welt am Sonntag. Das ist verständlich – wer möchte schon, dass überall bereits über den Nachfolger geredet wird, obwohl man noch ein Jahr im Amt ist?

Dass es einen Nachfolger geben wird, scheint klar. Raus Chancen auf eine zweite Amtszeit sind äußerst gering. Schon jetzt haben Union und FDP eine knappe Mehrheit in der Bundesversammlung. Nach allen Umfragen dürfte sie nach dem erwartbaren Sieg der CSU in Bayern noch etwas größer werden.

Alles andere sei „unwahrscheinlich“, bekennen auch Rot-Grüne. Nur laut sagen soll das keiner – und so liegt Raus Schweigen auch im SPD-Parteiinteresse. Ein früher Verzicht auf die Kandidatur hätte „als Eingeständnis wirken können, dass in Bayern nichts zu holen ist“, so ein rot-grüner Taktikexperte.

Auch bei der Union ruft die Aussicht auf eine klare eigene Mehrheit die TaktikerInnen auf den Plan. So ist es kein Geheimnis, dass CDU-Chefin Angela Merkel am liebsten CSU-Chef Edmund Stoiber als Bundespräsidenten sähe – dann wäre er kein Konkurrent mehr bei der K-Frage 2006. Merkel wartet aber ebenfalls noch bis zur Bayernwahl. „Die Frage steht nicht an“, sagte ihre Sprecherin. Vor dem Herbst werde sich Merkel nicht zur P-Frage äußern. Kein Wunder: Was Stoiber noch werden kann, hängt davon ab, wie hoch sein Sieg in Bayern ausfällt.

Die Debatte in der Union hat trotzdem bereits begonnen. „Wolfgang Schäuble wäre ein hervorragender Kandidat“, sagte Fraktionsvize Wolfgang Bosbach gestern der taz. Ein Rollstuhlfahrer als Präsident „würde vielen Menschen Mut machen“, glaubt Bosbach. „Man würde sehen, dass man auch mit einem Handikap allerhöchste Staatsämter übernehmen kann.“ Dies sei aber nicht das wichtigste Argument für ein Staatsoberhaupt Schäuble, betonte Bosbach. „Er ist schlicht und einfach einer der klügsten Köpfe, die wir haben.“

Wie klug, bewies Schäuble am Sonntag. Ob er kandidieren wolle, sei eine „verführerische Frage“, sagte der frühere CDU-Chef – und beließ es bei dieser kleinen Andeutung. An der Debatte um die Rau-Nachfolge werde er sich nicht beteiligen. „Das gebietet schon der Respekt vor dem Amt.“ Und die Taktik: Auch wer zu früh kommt, wird meistens bestraft.