: Bachelor? Den kennen wir nicht!
Die Wirtschaftslobby begrüßte jüngst sehr euphorisch den Studienabschluss Bachelor. Leider wissen weder Großunternehmen noch Mittelstand wirklich was von dem neuen Superabschluss. Dabei sollte der Bachelor Studis schon nach drei Jahren fit machen – für einen Arbeitsmarkt, der ihn nun ignoriert
AUS MÜNCHEN MAX HÄGLER
Die deutsche Wirtschaft bemüht sich immerhin. Mit publicityträchtigen Initiativen wie dem „Bachelor Welcome“ erwecken Lobbyisten den Eindruck, der neue angloamerikanische Uni-Abschluss Bachelor sei bei Industrie und Handwerk angekommen. Die Realität ist eine andere. Die Unternehmen wissen von den europatauglichen Zertifikaten Bachelor und Master wenig bis gar nichts.
In einer Studie des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) gaben 42 Prozent der befragten Unternehmen an, noch keine Ahnung von Bachelor und Master zu haben. Nur jeweils jeder fünfte Unternehmer, so die Umfrage, könne sich derzeit die Einstellung eines derart ausgestatteten Akademikers vorstellen – am ehesten als Sachbearbeiter.
Für die deutschen Hochschulen könnte das zu einem Problem werden. Denn Fakt ist, dass die hierzulande bislang üblichen Abschlüsse Magister und Diplom bald ein alter Hut sein werden. Bis 2010 wollen die EU-Mitgliedstaaten und Nachbarländer mit rund 12,5 Millionen Studenten einen gemeinsamen „Hochschulraum“ bilden. Den Ton werden dann die neuen Abschlüsse Bachelor und Master angeben, von denen es bislang rund 2.100 gibt. Sie sollen für internationale Vergleichbarkeit sorgen – und für mehr studentische Mobilität. Magister und Diplom seien im Gegensatz dazu zu langatmig, zu humanistisch, zu detailverliebt – einfach zu verstaubt.
Bei den Arbeitgebern hat sich in Wahrheit in Bezug auf Bachelor und Master wenig getan. Das Magazin Capital kommt zu einem Ergebnis, das sich ganz ähnlich wie die DIHK-Befragung anhört: Zwar sehen immerhin 21 Prozent der Unternehmen Bachelor und Master als „sehr positiv“ an. Aber die Hälfte der Personalentscheider der 250 größten deutschen Unternehmen rät den Studienanfängern weiter zum angeblichen Auslaufmodell Diplom. Der Jungen Karriere verrieten gar alle Personalchefs der befragten 30 DAX-Unternehmen und 13 Beratungsfirmen, das Diplom den neuen Abschlüssen weiter vorzuziehen.
Für Helmut Paulig, Geschäftsführer der Münchner IHK-Akademie, ist das kein Wunder: „Warum ein Risiko eingehen? Der Bachelor ist nichts Halbes und nichts Ganzes.“ Paulig ist immerhin für 260.000 Mitgliedsunternehmen zuständig, viele davon Mittelständler und Kleinbetriebe. Dass die neuen Studiengänge „besonders ganzheitlich“ sind oder „tolle Leute“ hervorbrächten, glaubt Paulig nicht. Die meisten Arbeitgeber in seinem Bezirk könnten darüber aber ohnehin nicht diskutieren – weil sie von Bachelor/Master schlicht nichts wissen: „Der Bekanntheitsgrad ist weiterhin sehr gering.“
Damit ist eine widersinnige Situation eingetreten: Bis 2009 sollen – so will es Bologna – sämtliche Studiengänge in der Republik genauso wie in Europa auf die neumodischen Abschlüsse umgestellt sein. Die deutschen Hochschulen ziehen dabei brav mit – auch wenn die Internationalität der neuen, meist dreijährigen Bachelorprogramme unterschiedlich ist (siehe rechts unten). Die Abnehmer der neuen Abschlüsse aber, die Arbeitgeber, können ihre zukünftigen Angestellten und Manager nicht einordnen – obwohl sie mit den angloamerikanischen Examen „international vergleichbar“ sind.
Daher werden nun Gegenmaßnahmen ergriffen, um Bekanntheit und Zustimmung zu Bachelor und Master in der Wirtschaft zu erhöhen. „Wir stellen nicht nur in der breiten Öffentlichkeit, sondern auch bei Studienanwärtern und den zukünftigen Arbeitgebern noch große Informationslücken fest“, erklärte jüngst der Vorsitzende des Bildungsausschusses der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, Günther Hohlweg. „Bayern muss den Bologna-Prozess konsequent umsetzen, wenn wir die besten Abiturienten ausbilden wollen“, glaubt der Verbandsfunktionär.
In Berlin hatte sich auf Einladung des Rates des Stifterverbands der deutschen Wirtschaft gleich ein gutes Dutzend Unternehmensvertreter gefunden, die für die Aktion „Bachelor Welcome“ einstanden. Personalchefs und Vorstandsmitglieder von Bahn oder Allianz versprachen, „konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um die durch den Bologna-Prozess unumkehrbare Strukturreform auch seitens der Wirtschaft zum Erfolg zu bringen.“ In einer ersten Fassung war dieser Satz pikanterweise noch in der Vergangenheitsform gehalten – so als hätten die Unternehmen ihren Teil zur Bachelorakzeptanz bereits beigetragen.
Doch Industrie und Optimisten mögen noch so viel werben. Mittlerweile gibt es eine Gegenbewegung. „Das Diplom sollte man beibehalten!“, verlangt nicht allein Juliane Willmanns vom Deutschen Hochschulverband. Auch beim Ingolstädter Autobauer Audi übt man Kritik an der praktischen Umsetzung der Studienreform. Die gehaltliche Einstufung und die Kenntnisse der Bachelors seien noch zu unsicher. „Wir haben deshalb noch keine Akademiker mit Bachelor- oder Masterabschluss“, erklärt ein Sprecher.
Die bayerische Regierung wirbt derweil für Bachelor und Master. Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) hat das Thema auf die Tagesordnung gesetzt. Überzeugt ist sein Kabinett von der Entscheidung nicht. Schulministerin Monika Hohlmeier lehnte die Einführung von Bachelorabschlüssen bei Lehrerstudiengängen ab. Das würde nämlich, so Hohlmeiers wenig schmeichelhaftes Diktum, eine nicht akzeptable Entprofessionalisierung nach sich ziehen.
Mitarbeit: Patrick Griesser