: Das Modell einer Kopfpauschale
Fans der „Gesundheitsprämie“ meinen, nur die Pauschale sorge für Wettbewerbsdruck
BERLIN taz ■ Die Idee der Kopfpauschale hat einen besonderen Reiz: Die Finanzierung des Gesundheitssystems würde auf einen Schlag von den Löhnen abgekoppelt. Denn die Beiträge zur Krankenversicherung wären ja pauschaliert: Gerechnet wird mit etwa 180 bis 220 Euro pro Kopf, Kinder ausgenommen. Deshalb ist die „Gesundheitsprämie“ – der Begriff, der von ihrem Vorkämpfer Bert Rürup bevorzugt wird – radikaler als die Bürgerversicherung. Grundlage der Finanzierung des Systems, meint Rürup, „sind dann nur noch die Gesundheitskosten“ – und nicht mehr mögliche Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt.
Der entscheidende Nachteil der Kopfpauschale ist: Millionär wie Putzfrau zahlen das Gleiche. Genauer gesagt: Im Vergleich zu jetzt würden Gutverdiener weniger, Schlechtverdiener mehr zahlen. Befürworter rechnen jedoch damit, dass Haushalte, die mehr als 14 Prozent für die Kopfpauschale zahlen müssten, über Steuern bezuschusst würden. Diese steuerliche Umverteilung wäre ein Novum im deutschen System. Veranschlagt werden hierfür 20 bis 25 Milliarden Euro im Jahr.
Wer jetzt schon den Finanzminister mit dem Kopf schütteln sieht, dem halten die Prämienbefürworter Folgendes entgegen: Für die Kopfpauschale würde der derzeitige Arbeitgeberanteil an der Krankenversicherung an die Beschäftigten ausgeschüttet, die Lohnnebenkosten würden entsprechend sinken. Diese Ausschüttung von, grob geschätzt, 70 Milliarden Euro an die Arbeitnehmer würde dem Finanzminister via Einkommensteuer rund 18 Milliarden Euro einbringen. Was er lockermachen müsste, wären also „nur“ noch 2 bis 7 Milliarden Euro.
Die Kopfpauschalenfans, die sich zunehmend im wirtschaftsnahen Flügel der SPD, ansonsten aber vor allem in Lager der Union finden lassen, sagen, nur die Pauschale sorge für Wettbewerbsdruck im System, denn Privatkassen und gesetzliche Kassen würden miteinander um die geringste Pauschale konkurrieren. Das sei für die Versicherten durchsichtiger als ein System, in dem sie Prozente von ihrem Einkommen abführen müssten.
Außerdem, sagen die Kopfpauschalisten, müsse man den Privatkassen gar nicht erst ihre Klientel rauben – nein, man könnte ja die Kopfpauschale zunächst nur auf die gesetzlich Versicherten anwenden. Den Privatversicherungsmarkt ließe man gesetzlich unangetastet. Man zwänge ihn aber in scharfe Konkurrenz zu den gesetzlichen Kassen, weil die Pauschale ja für Gutverdiener so viel günstiger ist, dass diese ganz von selbst aus den Privatkassen abwandern würden, wenn die ihre Sätze nicht angleichen.
Der Gesundheitsökonom Klaus-Dirk Henke, der schon vor Rürup für die Kofpauschale eingetreten ist, hat den Zusammenhang zwischen Kopfpauschale und Wettbewerb erklärt: An die Stelle des Sozialrechts träte Privatrecht, „eine gesetzliche Krankenversicherung bestünde nur noch im Rahmen der gesetzlichen Vorschrift zur Mindestversicherung“. Abstriche am heutigen Niveau der Gesundheitsversorgung „müssen gemacht werden“.
Und genau das fürchten die Bürgerversicherer: Erstens, sagen sie, gibt es auch in der Bürgerversicherung Wettbewerb zwischen den Kassen, die schließlich weiterhin unterschiedliche Beitragssätze anböten. Zweitens würde durch die Kopfpauschale letztlich nur noch eine Basisversorgung abgesichert. Die Gutverdiener würden sich auf einem stark anwachsenden Markt für private Aufbau-, Zusatz- und Luxusversorgung zusätzlich absichern – das Geld hätten sie dafür ja dank der günstigen Pauschale „übrig“. Die Kopfpauschale wäre demnach der direkte Weg in die Mehrklassenmedizin. UWI