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Archiv-Artikel

Die teuren Folgen der Politikerversprechen

Weil das Oberverwaltungsgericht per Eilentscheidung den Ausstieg aus der Anschlussförderung gestoppt hat, muss der Senat weiter die Wohnungsbauunternehmen unterstützen. Endgültiges Urteil wird noch Jahre auf sich warten lassen

So einfach sind die teuren Beschlüsse der Vergangenheit nicht zu kippen. Das muss im Streit um die Landesförderung von Sozialwohnungen der Senat nun einsehen (die taz berichtete). Vergangene Woche verdonnerte das Berliner Oberverwaltungsgericht (OVG) per Eilentscheidung das Land, einer Eigentümergesellschaft von 30 Mietwohnungen in Neukölln weitere Fördermittel in Höhe von 18.122 Euro monatlich zu zahlen. Den sofortigen Zahlungsstopp dieser Summe erklärten die Richter für unzulässig. Erst im Februar hatte der Senat beschlossen, die Förderung für sämtliche Sozialwohnungen Berlins einzustellen und somit langfristig bis zu 2 Milliarden Euro einzusparen.

Ausschlaggebend für die Richter des Fünften Senats des OVG war die Maßgabe, dass die Verminderung oder Einstellung der Förderung nicht die Existenz der betroffenen Hauseigentümer gefährden dürfe. Dies wäre im Fall der Klägerin, der Sistra Verwaltungsgesellschaft mbH & Co. Silbersteinstraße KG der Fall gewesen.

Die Sistra errichtete Mitte der 80er-Jahre 30 Mietwohnungen im sozialen Wohnungsbau. Kostendeckend wäre eine Monatsmiete von 11,86 Euro pro Quadratmeter gewesen, die genehmigte Durchschnittsmiete lag aber bei 2,50 Euro pro Quadratmeter. Die Differenz erhielt die Sistra ab 1988 zunächst für 15 Jahre vom Berliner Steuerzahler. Gemäß der Richtlinie für den sozialen Wohnungsbau beantragte die Sistra vor dem Auslaufen der Grundförderung Ende Januar eine weitere 15-jährige Förderung, die gemäß der neuen Senatssparpolitik jedoch abgelehnt wurde.

Der Rechtsanwalt der Klägerin, Klaus Riebschläger, war sich nach der Urteilsverkündung sicher: „Wir haben einen Musterprozess gewonnen.“ So wie in diesem Fall werde künftig auch in allen anderen Verfahren entschieden, sofern den Eigentümern die Insolvenz drohe. Insgesamt seien derzeit rund 15 Eilrechtsschutz- und 15 Hauptverfahren in dieser Angelegenheit anhängig. Das Ende der Förderung träfe in den kommenden Jahren rund 400 Unternehmen mit insgesamt etwa 25.000 Sozialwohnungen, die bis 1997 in Berlin gebaut wurden.

Endgültig will das OVG in einem Hauptverfahren entscheiden. Bis zu einem Urteil kann es aber bis zu drei Jahren dauern. So lange müssen die Berliner, trotz hohen Wohnungsleerstands und leerer öffentlicher Kassen, ihre teuren Sozialwohnungen weiterfördern wie bislang. Nach Expertenmeinung wird das Gericht voraussichtlich der richterlichen Eilentscheidung folgen, die grundsätzlich besagt, dass ein abrupter Ausstieg aus der Anschlussförderung trotz entspannten Wohnungsmarkts und einer dramatischen Haushaltslage des Landes nicht zulässig ist. Denkbar sei lediglich eine Verringerung der Subvention. Rechtlich abgeleitet wird das Muss zur Förderung auch daraus, dass verantwortliche Politiker damals, als das Geld noch floss, den Investoren öffentlich Versprechungen machten. Dass das teuer werden würde, hätte den Politikern damals klar sein müssen, so das Gericht.

ADRIENNE WOLTERSDORF