: Was haben wir gelacht!
Ernst ging’s zu auf dem Kolloquium „Komik der Medien“ in Kassel. Einig waren sich die Wissenschaftler und Medienmacher darin, dass Lacher billig sind und solide Quote bringen
von ROLAND MÜLLER
Wer einen Witz erklärt, hat ihn verdorben. Und so ging es eher ernst zu, als sich am vergangenen Wochenende gut 30 Wissenschaftler, Künstler und Medienmacher in Kassel trafen, um sich über „Die Komik der Medien“ zu unterhalten. Komik ist allerdings auch etwas sehr Erhabenes, leitet sich der Begriff doch von einem antiken Fruchtbarkeitsgott ab. Komik, sagen die Humorforscher, ist vornehmlich die positive Enttäuschung einer Erwartung. Da die Landbevölkerung der Antike nur mit schlechten Ernten rechnen konnte, war natürlich jede Enttäuschung Anlass besonderer Freude. Seitdem lachen wir, wenn etwas völlig aus den Fugen gerät.
Lustig, nicht lustig
Dafür haben Medien ein hohes Potenzial. Sind sie doch nichts anderes als eine Anhäufung vorhersehbarer technischer Abläufe. Und jede Aufhebung der mechanischen Fortsetzung, eine technische Panne etwa, kann komisch sein. Solange sie nicht den ganzen Abend verdirbt. Wenn eine Gestalt durch das gewohnte Bild der Tagesschau rennt, dann ist der ansonsten so perfekte Ablauf des Mediums kurz gestört, was lustig ist. Fielen aber sämtliche Kameras während der Übertragung des Fußball-WM-Endspieles aus, dann ist nichts mehr wie zuvor. Das ist nicht lustig.
Komik nutzen die Fernsehanstalten weidlich im Quotenkampf. Es gibt Sketchprogramme, Comedy-Soaps, fast tägliche Abendshows von „tv total“ mit Stefan Raab bis Harald Schmidt und bald jeder Sender sucht derzeit den Comedy-Star. Dabei zitieren sie sich ständig selbst. Sie tun es, weil die Sendezeiten anders nicht zu füllen sind. Und sie tun es, weil sie selbst der größte gemeinsamer Nenner für das Publikum sind.
Die Fernsehwirklichkeit erzielt eine höhere Lachquote als das gemeine Leben, was offenkundig auch nicht lustig ist. Da Fernsehen stets erfolgreiche Sendungen zu möglichst geringen Kosten braucht, würde es sich sonst der Wirklichkeit bedienen. Einfach Kamera draufhalten und fertig. Das Gegenteil ist der Fall. Die Wirklichkeit ist so dröge geworden, dass selbst ausgewiesene Dokumentationen als so genannte Doku-Soaps aufbereitet werden müssen.
Dass Medienkritiker den Fernsehmachern vorwerfen, die Witze würden immer flacher und überhaupt das Programm unkritisch und dumm, ficht sie kaum an. Im Gegenteil: gute Karten für das Fernsehen. Denn über nichts wird lieber gelacht als über die Dummheit anderer.
Aber der Selbstbezug hat Grenzen. So hat die Werbung seit geraumer Zeit die Komik entdeckt. Eine Pointe soll den Kaufbefehl ohne Umschweife in unser Unterbewusstes jagen und dort mit unserem eigenen Lachen positiv besetzt verankern. Das zu tun und dennoch keinen Spaß verstehen, ist allerdings kein Widerspruch. Thorsten Sievert, ehemaliger Redakteur der „Wochenshow“, konnte jedenfalls berichten, dass die Werbeparodie mit dem Sinken der Werbeetats allmählich aus dem Programm verschwand. Betroffene Unternehmen hatten ihre Aufträge storniert.
Ob nun im wirklichen Leben oder nur medial inszeniert: Wir leben in einer Spaßgesellschaft. Was nichts anderes heißt, als dass die Erwartung an uns gerichtet wird, Spaß zu haben. Wir sollen Lebensfreude empfinden, schon allein beim Trinken einer Cola. Selbst wenn wir mit ihr gerade unseren Durchfall lindern. Ganz ernst nehmen müssen wir das natürlich nicht. Wir leben schließlich auch in einer Arbeitsgesellschaft. Aber der Spaßzwang muss es weit gebracht haben. Warum gäbe es sonst Lachkonserven in einschlägigen Soaps?
Hätte es gegen dieses Lachen aus der Dose Proteste gehagelt, wäre es von der Mattscheibe verschwunden. So aber können wir über den Witz lachen oder über das Lachen, oder aber – ein hübscher Gedanke von Lutz Ellrich – wir lehnen uns zurück und entspannen vom Spaßzwang. Man könnte sagen: Die Konserve entbindet uns vom Lachen.
Hermetische Komik
Das Tollste an Komik aber ist: Sie braucht den Beobachter, also uns. Das Tollste an Medien ist: man kann sie ausschalten, übersehen, ignorieren … Allerdings versteht man dann auch nicht mehr die Komik der Medien. Denn die Pointe versteht nur, wer die Anspielung kennt. Ob das ein Verlust ist, muss jeder selbst entscheiden. In jedem Fall aber hat jeder, der abschaltet, etwas sehr Komisches getan, nämlich die Erwartung an sich selbst enttäuscht.
Die Stiftung Brueckner-Kuehner-Stiftung dokumentiert das Kasseler Komik- Kolloquium in ihrer Schriftenreihe „Kulturen des Komischen“ (Aistesis-Verlag)