SOMMERSCHLUSSVERKAUF: KÜNFTIG SPART, WER SURFT UND TRATSCHT : Das Ende kuscheliger Kollektiverlebnisse
Seit Montag treten sie zum letzten Mal im Rudel auf. Wenn der Sommerschlussverkauf vorbei ist, wird dieses Fest kollektiver Erregung über Tiefpreise nie wieder gefeiert werden. Nicht im Sommer, nicht im Winter. Ein letztes Mal haben sich die Schnäppchenjäger gemeinsam vor den noch verschlossenen Kaufhaustüren versammelt, sind hineingedrängt, haben einander gerempelt und beschimpft. Und haben sich gemeinsam auf die eingesparten Euros gefreut.
Vor zwei Jahren hat der Bundestag für die Abschaffung von Rabattgesetz und Zugabeverordnung gestimmt. Seitdem dürfen Einzelhändler Preisnachlässe gewähren, wie und wann sie wollen. Das greifbare Ende des über 70 Jahre alten Schlussverkaufs nimmt den preisbewussten Käuferrudeln auch eine lang gehegte Gewissheit. Nämlich die, klüger zu sein als die Händler. Warum bloß, so fragten sich Schnäppchenjäger jahrelang hinter vorgehaltener Hand, legte der Einzelhandel seinen Schlussverkauf regelmäßig in den Januar oder Juli? Gucken die keinen Wetterbericht? Da bleiben doch noch Februar und März für den Winter- respektive August und September für den Sommerurlaub. Die Möglichkeiten des weltumspannenden Tourismus mit dem Durchbrechen der Jahreszeiten potenzierten diesen Vorteil noch. Wer beim Einkauf genug gespart hatte, der konnte sich noch das Last-Minute-Ticket ins Ski- oder Mittelmeer-Resort leisten. Doppelt gespart, zweimal gelacht.
Das ist jetzt vorbei. Wer aber angesichts dieses Traditionsverlustes anfängt zu lamentieren, hat es nicht begriffen. Das Ende des Schlussverkaufs ist nicht das Ende aller Käufer-Chuzpe. Wer ständig in Warenhäusern unterwegs ist und auch über ein gut ausgebautes soziales Netz verfügt, kennt auch weiterhin die Sonderangebote. Aber auch der Gelegenheitskäufer verlässt sich nicht mehr auf das halbjährliche kollektive Ritual. Er hat Internet und vielleicht sogar ein Schnäppchenmagazin abonniert. Er spart, weil er beweglich ist und seine Interessen genau definieren kann. Man mag den kuscheligen Kollektiverlebnissen SSV und WSV hinterhertrauern. Fakt ist: Zur Selbstständigkeit haben sie uns nicht erzogen. MATTHIAS BRAUN