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Archiv-Artikel

Spätantike Mehrzweckhalle braucht Sesterzen

Xantener Archäologen wollen im Römerpark auf der spätantiken Colonia Ulpia Traiana nun auch das Alltagsleben der einstigen Bewohner in den Fokus nehmen. Trotz Geldnot beim Landschaftsverband sollen deshalb Handwerkerhäuser und eine Freizeitbasilika rekonstruiert werden

XANTEN taz ■ Sollte man es wagen, dieses Stück römischen Mauerwerks abzutragen? Norbert Zieling, Grabungsleiter in Xanten und der Leiter des Archäologischen Parks Martin Müller diskutieren die Frage intensiv. Einiges spricht dafür, schließlich befinden sich zwei behauene Sandsteine in der ansonsten mit groben Natursteinen gefügten Mauer. Befinden sich auf den offensichtlich „recycelten“ Steinen interessante Inschriften, bergen sie noch andere Geheimnisse? Die Neugier des Archäologen kollidiert mit der Erhaltungsverpflichtung des Bodendenkmalpflegers. Ein Konflikt wie er in Xanten jeden Tag auftreten kann.

In der ehemaligen Colonia Ulpia Traiana (CUT) wird das ganze Jahr über gegraben. Das milde niederrheinische Klima macht‘s möglich. Gefrorene Böden im Winter sind selten und selbst im Hochsommer brennt die Sonne nicht all zu heiß. Und gegen den Regen, schützen sich die Xantener Archäologen durch Kunststoffzelte. Die Grabungen rund ums Jahr sind nicht die einzige Besonderheit Xantens. Nirgendwo sonst in Deutschland ist eine komplette römische Stadt, mit damals rund 10.000 Einwohnern, unüberbaut geblieben. Zwar haben sich die Jahrhunderte nach dem Untergang der CUT reichlich bedient am römischen Steinmaterial. Natursteine sind selten am Niederrhein und daher kostbares Baumaterial, das man zur Errichtung der mittelalterlichen Stadt gut brauchen konnte. Trotzdem erlauben die zurück gebliebenen Bauteile und Fundamente unter der Oberfläche wichtige Einblicke in das Leben einer provinzialrömischen Stadt der Spätantike.

Ebenso wichtig wie die wissenschaftliche Erkenntnis ist den Xantener Archäologen die Präsentation ihrer Ergebnisse für die Öffentlichkeit. Seit über einem Vierteljahrhundert ist daher der Archäologische Park Xanten (APX) mit seinen authentischen Nachbauten römischer Bauten ein beliebtes Besuchsziel für Touristen und ein europaweites Vorbild für andere Rekonstruktionen dieser Art. „Bisher überwiegen im APX aber die öffentlichen beziehungsweise Repräsentationsbauten“, sagt Sabine Leih, Grabungsleiterin auf der so genannten Insula 39, einem vor zwei Jahrtausenden vor allem von Handwerkerhäusern geprägten Stadtviertel. Das riesige Amphitheater wurde teilrekonstruiert, der einer noch immer unbekannten Gottheit geweihte Hafentempel ansatzweise wieder aufgebaut und eine komplett funktionsfähige römische Herberge samt Restaurant und Badetrakt errichtet. Letzte Erweiterung des APX war vor fünf Jahren die Eröffnung der mit einer modernen Stahl-Glas-Konstruktion überdachten Großen Thermen auf der Insula 10, die einen Eindruck vom Badegeschehen der Epoche geben.

Nur wenig sichtbar ist bisher vom täglichen Leben der einfachen Bewohner. Das soll sich binnen Jahresfrist ändern. „Wir wollen drei Handwerkerhäuser wiederherstellen, damit sich unsere Besucher ein Bild vom Arbeitsalltag der Menschen damals machen können“, so Sabine Leih. Errichtet werden die Gebäude dort wo sie auch in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten gestanden haben.

Mit Hilfe Bochumer Bergbauarchäologen konnte gesichert werden, dass in den lang gezogenen Häusern Metallverarbeitung stattgefunden hat. Einen eisenverarbeitenden Betrieb soll daher wieder aufgebaut werden und vielleicht eine Silberschmiede, in denen Handwerker alte Techniken vorführen sollen. Und noch eine weiterer Neubau soll den APX attraktiver machen: Nachdem die vor den Thermen liegende Basilica thermarum bereits freigelegt und erforscht worden ist, soll über ihr entsprechend dem vermuteten römischen Vorbild ein Neubau für das Xantener archäologische Museum entstehen.

Die Basilica thermarum wurde in römischer Zeit wahrscheinlich als Mehrzweckraum genutzt. Da zum Badebetrieb auch sportliche Betätigung gehörte, wurde die Basilica bei schlechtem Wetter für Gymnastik und Ballspiel genutzt. Auch für Konzerte, Theateraufführungen oder als Verkaufsfläche für Imbisse und Kosmetika könnte das mit einem Holzboden und mobilen Wänden ausgestattete Multifunktionsgebäude gedient haben. Trotz knapper werdender Haushaltsmittel beim Landschaftsverband Rheinland hofft Norbert Zieling auf einen positiven Bescheid für den Baubeginn im nächsten Jahr. HOLGER ELFES