: Für mehr Wahl bei den Wahlen
Nicht die Parteien sollen die Volksvertreter auswählen, sondern das Volk: Eine Initiative von „Mehr Demokratie“ und den Grünen setzt sich nach dem Hamburger Vorbild nun auch in Bremen für ein demokratischeres Wahlrecht ein
Bremen taz ■ In Hamburg entscheiden künftig nicht mehr die Parteigremien darüber, wer in die Bürgerschaft einziehen kann - sondern die WählerInnen. In 17 stadtteilgroßen Wahlkreisen dürfen sie künftig 71 von 121 Volksvertreter direkt wählen. Außerdem können sie anders als bisher auch über die Reihenfolge der KandidatInnen auf den Parteilisten mit entscheiden.
Das ist das Ergebnis des Volksentscheides, mit dem Hamburg am 13. Juni ein demokratischeres Wahlrecht eingeführt hat. Diesen Erfolg will die Initiative „Mehr Demokratie“ jetzt auch auf Bremen übertragen. Dazu hat sie einen Aktionskreis gegründet, der einen eigenen Gesetzentwurf erarbeitet. Er lehnt sich eng an das Hamburger Vorbild an.
Zu diesem Modell gehört auch die Möglichkeit, Stimmen zu kumulieren, einzelnen Kandidaten also mehrere Stimmen geben kann. Mit dem Effekt, das es keine „sicheren“ Listenplätze mehr gibt. Denn wer den Wählern beliebter oder besser bekannt ist, hat auch die größeren Erfolgschancen. Außerdem können Stimmen auf Kandidaten aus unterschiedlichen Listen verteilt werden (panaschieren). Auf diese Weise lassen sich zum Beispiel Koalitionspräferenzen zum Ausdruck bringen.
Wer sich bisher an der Wahl zur Bremer oder Hamburger Bürgerschaft beteiligte, hatte vergleichsweise wenig Möglichkeiten. Man konnte nur einer einzigen Partei oder Wahlliste eine Stimme geben. Die Wahl selbst konnte die KandidatInnenliste in keiner Weise beeinflussen.
Nach dem Willen von „Mehr Demokratie“ soll es in Bremen zukünftig acht, in Bremerhaven zwei Wahlkreise geben. Dort könnten dann jeweils drei bis fünf Abgeordnete für die Bürgerschaft direkt gewählt werden. Damit bekommen auch kleine Parteien, lokale Wählervereinigungen und unabhängige KandidatInnen eine Chance auf einen Sitz im Parlament. Schließlich, so ein Sprecher von „Mehr Demokratie“, reichen dann bereits rund zehn Prozent der Stimmen, um als einer von fünf DirektkandidatInnen gewählt zu werden – die Fünf-Prozent-Klausel bliebe dabei erhalten. Um andererseits aber eine „Kirchturmpolitik“ zu vermeiden, die allein auf Stadtteil-Belange hört, wolle man nur die Hälfte der Mandate in den Wahkreisen, die andere Hälfte wie bisher über Listenstimmen vergeben. Wer keine Prioritäten hat, soll wie bisher auch eine Liste als Ganzes ankreuzen können. Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigen jedoch, so Paul Tiefenbach von „Mehr Demokratie“, das rund 50 Prozent der WählerInnen kumulieren oder panaschieren.
„Der Einfluss der WählerInnen steigt also“, freut sich Angelika Gardiner, Organisatorin des Volksentscheides in Hamburg auf einer Veranstaltung in der Villa Ichon. „Und das Parlament muss bürgernäher werden.“
Der Landesvorstand der Grünen hat die Vorsitzenden von CDU, SPD und FDP zu einer gemeinsamen Initiative nach der Sommerpause aufgerufen. Sollten sich – wie in Hamburg – die beiden großen Parteien weigern, wollen die Initiatoren auch in Bremen den Weg des Volksbegehrens gehen. Dieses könnte dann mit der Bundestagswahl 2006 zur Abstimmung kommen, wenn sich genügend UnterstützerInnen finden. Ob mit den Möglichkeiten allerdings auch die Wahlbeteiligung steigt - bleibt abzuwarten.
Matthias Zier