Wo kein Gesetz, da ein Richter

Homopaare verlegen sich für die Gleichstellung auf Musterprozesse

FREIBURG taz ■ Nicht nur durch neue Gesetze, sondern auch auf dem Weg über die Gerichte will der Lesben- und Schwulenverband Deutschlands (LSVD) die Anpassung der Lebenspartnerschaften an die Privilegien der Ehe voranbringen. Sein wohl größter Erfolg ist bislang ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom April. Darin legten die Richter den Bundesangestelltentarif so aus, dass Ortszuschläge für Eheleute auch eingetragenen Partnern zustehen. Die Richter sahen die fehlende Regelung für Homoehen als „Lücke“, die sie „systemkonform“ durch Gleichstellung mit der klassischen Ehe schlossen. Ähnlich argumentierte das Sozialgericht Düsseldorf, das im Oktober 2003 dem überlebenden Partner einer Homo-Ehe eine Hinterbliebenenrente zusprach.

Der LSVD fordert ausdrücklich zu Musterprozessen auf. Auf seiner Homepage (www.lsvd.de) finden sich entsprechende Informationen, insbesondere für Klagen im Beamten- und Steuerrecht. Ziel ist, dass entweder bereits die Fachgerichte das Recht „verfassungskonform“ im Sinne einer Gleichstellung auslegen oder dass sie zumindest das Bundesverfassungsgericht zu einer Prüfung veranlassen.

Den wohl bekanntesten Musterprozess hat der Konzertveranstalter Hasso Müller-Kittnau, zugleich LSVD-Vorsitzender des Saarlandes, angestrengt. Vor dem Finanzgericht Saarbrücken wollte er für seine Partnerschaft das Ehegattensplittting erstreiten. Doch im Januar entschieden die Richter, eine Gleichstellung komme aus „bevölkerungspolitischen Aspekten“ nicht in Betracht. Die Ehe sei „Vorstufe zur Familie“ während Homopaare keinen Beitrag zur „Zukunftsfähigkeit von Staat und Gesellschaft“ leisteten. Müller-Knittaus Anwältin Sabine Maria Augstein hat Revision zum Bundesfinanzhof eingelegt und will den Fall auf jeden Fall nach Karlsruhe bringen.

Verfassungsrechtler gehen davon aus, dass die Chancen in Karlsruhe immer dann gut stehen, wenn die Lebenspartnerschaft einseitig Belastungen zu tragen hat, denen aber keine adäquaten Vergünstigungen entsprechen. Typischer Fall sind die Unterhaltspflichten, die beide Partner treffen, ohne dass sie zum Beispiel per Ehegattensplitting Steuern sparen können. Implizit forderte das Bundesverfassungsgericht vor zwei Jahren sogar dazu auf, dies verfassungsrechtlich in einem neuen Verfahren „zu klären“. Dagegen dürften Klagen auf völlige Gleichstellung beim Adoptionsrecht keine Aussicht auf Erfolg haben.

CHRISTIAN RATH