: Autoritär und absolutistisch
betr.: „Bayerisches Hin und Her um Stolpersteine (Während die Stadt München Gedenktafeln zur Erinnerung an NS-Opfer wieder abmontieren lässt, werden im Nachbarort Freising neue ‚Stolpersteine‘ angebracht)“, taz vom 26. 6. 04
Grundsätzlich gilt wohl: Stolpersteine werden für deportierte und/oder ermordete NS-Opfer verlegt (und nicht vor jedem Haus, in dem einmal Juden gewohnt haben, wie es im Artikel heißt). Es müssen nicht immer „Persönlichkeiten“ sein, an die erinnert wird, für jedes Opfer könnte ein Stolperstein verlegt werden. Voraussetzungen: entsprechende Recherchen zu den ehemaligen Wohnorten; Paten, die sich für die Opfer engagieren und die Steine finanzieren.
Inflationierung der Erinnerung? Man könnte es doch auch Individualisierung der Erinnerung und Übernahme von Verantwortung einzelner Personen bzw. Personengruppen für ein namentlich und mit seinem Schicksal bekannten NS-Opfer nennen.
In Hamburg ist natürlich alles anders: Dort wurden bereits 600 Stolpersteine verlegt. Für Hamburg-Wandsbek habe ich etwa 85 Adressen recherchiert und ins Internet gestellt: www.astrid-louven.de/stolpersteine. Für 13 jüdische Deportierte und einige nichtjüdische NS-Opfer konnten bereits Paten gefunden werden. Die Steine sollen noch in diesem Jahr verlegt werden.
ASTRID LOUVEN, Hamburg
betr.: „ ‚Die Geste des Verzeihens kann unerträglich sein‘, sagt Klaus-Michael Kodalle (Nur in einem Klima der Versöhnung ist Aufarbeitung möglich. Aber ein Recht auf Verzeihung gibt es nicht)“, taz vom 30. 6. 04
Ein hoch politischer Artikel, dessen Lektüre ich dem Münchner Stadtrat anempfehlen möchte, der sich gerade dieser Tage bemüßigt gefühlt hat, in Sachen Gedenken der Holocaustopfer nur seine Sicht zuzulassen, und entschieden hat, zwei für deportierte und ermordete Münchner Bürger verlegte Stolpersteine entfernen zu lassen und sie auf dem israelitischen Friedhof zu deponieren.
In München gibt es nur autoritär abgesegnete Erinnerung, die möglichst in geschlossenen Räumen stattfindet und so die Oktoberfesthochburg nicht öffentlich „verschandelt“. Dies alles ohne öffentliche Diskussion im Vorfeld, autoritär und absolutistisch. Eine Stunde nach dem Stadtratsbeschluss waren die Gedenksteine auf Anordnung entfernt, ohne mit den Schülerinnen, die sie in einem Projekt initiiert hatten, zu sprechen oder gar mit überlebenden Angehörigen. Differenzierte Positionen überfordern den gemeinen Bayern.
JANNE WEINZIERL, München