: Neuer Baustopp im Süden Jerusalems
Nach dem Urteil des israelischen Obersten Gerichts werden weitere Entscheidungen zum Bau der Mauer erwartet
JERUSALEM taz ■ „Öffentlicher Druck kann helfen“, heißt es in einem Aufruf mehrerer israelischer und palästinensischer Frauen-Friedensgruppen, die am Wochenende „in Weiß gekleidet“ eine Mahnwache gegen den Sperrwall abhalten wollen. Einen Tag nach dem Urteil des israelischen Obersten Gerichtshofs, das die Armee dazu anhält, die Route eines 30 Kilometer langen Teilstücks im Nordwesten Jerusalems zugunsten der palästinensischen Anwohner zu verlegen, entschieden die Richter gestern über einen weiteren Baustopp im Süden der Stadt.
Die 66 erwachsenen Bewohner des Dorfes Nuaman hatten erst am Mittwoch ihre Petition eingereicht, mit der sie eine Verlegung des Verlaufs der Sperranlagen verlangen, damit ihr Dorf auf der Seite des Westjordanlandes bleibt und nicht, wie geplant, dem von Israel kontrollierten Jerusalem angeschlossen wird. Nuaman liegt in unmittelbarer Nähe der erst vor wenigen Jahren errichteten umstrittenen jüdischen Siedlung Har Homa auf halbem Weg zwischen Jerusalem und Bethlehem.
Die Petition der Palästinenser aus Nuaman ist eine erste Bestätigung der von Menschenrechtsaktivisten geäußerten Vermutung, dass die Entscheidung des Oberstes Gerichtshofes weitere vom Bau des Sperrwalls betroffene Palästinenser zum Weg durch die Instanzen ermutigen werde. Fast täglich finden gemeinsame Demonstrationen von Israelis, Palästinensern und ausländischen Friedensaktivisten statt, um mit Mahnwachen, Fotoausstellungen oder Protestmärschen den illegalen Bau des Sperrwalls aufzuhalten. Um Zeit und Kosten zu sparen, rät ein Kommentar in der auflagenstärksten Tageszeitung Jediot Achronot, sei es sinnvoll, schon jetzt die gesamte Strecke der Trennanlagen, die rund 650 Kilometer lang werden sollen, auf die vom Obersten Gericht festgelegten Kriterien zu überprüfen.
Israels Premierminister Ariel Scharon berief am Abend den Stabschef und den Oberstaatswalt zu Beratungen ein. Das Urteil verpflichtet die Armee, bei dem veränderten Verlauf des Sperrwalls den Schaden für die palästinensische Bevölkerung auf ein Minimum zu reduzieren. Die Trennanlagen dürften weder politischer Natur sein noch die Staatsgrenze festlegen. Berichten der Tageszeitung Ma’ariv zufolge hatte es im Planungsteam vor allem mit Blick auf Jerusalem „heftige Auseinandersetzungen“ gegeben. Die neue Route muss vom Kabinett verabschiedet werden. Beobachter rechnen mit einer Bauverzögerung von 6 bis 12 Monaten.
Erstes Ziel, so kommentierte der Minister Danni Naveh, „ist es, das Morden von Israelis zu verhindern“, auch wenn die Lebensqualität der Palästinenser dabei verletzt werde. Naveh forderte ein „Notstands-Sicherheits-Gesetz“, mit dem das Oberste Gericht umgangen und der Bau des Sperrwalls fortgesetzt werden könne. SUSANNE KNAUL