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Archiv-Artikel

Handarbeit für Brummi-Maut

Die Lkw-Maut steht vor der Tür, doch die Geräte, die den Wegezoll automatisch berechnen, sind Mangelware. Bleibt nur der Weg zum Terminal an der Tankstelle, klagen Spediteure und prophezeien das Chaos. Maut-Betreiber sagen: Selbst schuld

Am letzten Maut-Terminal vor der Autobahn können Lkw nicht parken

taz ■ „Wenn am 1. September die Lkw-Maut eingeführt wird, gibt es auf der B 75 ein totales Chaos.“ Hilke Böse von der Spedition Oetjen aus Rotenburg rechnet mit dem Schlimmsten. Die Firma hat 67 mautpflichtige Fahrzeuge, kein einziges davon jedoch verfügt bisher über eine „OnBordUnit“ (OBU). So nennen sich die radioähnlichen Kästchen, die die Mautgebühren per Satellit automatisch erfassen sollen. „Eines der modernsten Systeme weltweit“, preist das mit der Mauterfassung beauftragte Konsortium TollCollect die Technik. Wilfried Drygala, Geschäftsführer des Landesverbandes Verkehrsgewerbe Bremen (LVB), kann darüber nur lachen. Die meisten Lkw, prophezeit er, werden erst mal einen Stopp einlegen müssen, um sich an einem Terminal von Hand in das Maut-System einzubuchen – moderne Technik hin oder her.

Wöchentlich habe sie zuletzt bei der zum Einbau autorisierten Werkstatt nach den Maut-Kästchen gefragt, sagt Speditions-Frau Böse. Vergeblich: TollCollect liefere nicht genügend Geräte, beschied man ihr. Matthias Langer von der Bremer Spedition LTS kann immerhin von einem Fahrzeug mit OBU berichten. Seine 24 weiteren Lastzüge gingen hingegen leer aus. Von 3.000 registrierten Lkw in der Region verfügten erst 200 über eine OBU, schätzt Drygala.

Wer kein Maut-Kästchen hat, muss seinen Lkw an speziellen Terminals anmelden. Nur: In Rotenburg gibt es davon keines. „Mindestens die Hälfte unserer Lkw wird am 1. September an einer Tankstelle auf der B 75 stehen“, prophezeit Speditions-Frau Böse daher. Sie hat schon mal nachgeschaut: Am letzten Maut-Anmelde-Punkt vor der Autobahn gibt es keinen einzigen Parkplatz für Lkw.

TollCollect schiebt den schwarzen Peter den Spediteuren zu: „Vor der Planung gab es Gespräche mit den Verbänden, wie viele Geräte benötigt werden“, sagt Sprecher Thomas Biegi. Die vereinbarten 150.000 Stück plus 100.000 zusätzlich werde TollCollect fristgerecht liefern. Dass der Bedarf trotzdem noch deutlich höher liege, sei Schuld der Transportfirmen. Diese hätten – in der Hoffnung, die Mautverordnung würde nicht in Kraft treten – zunächst eine „Boykotthaltung“ eingenommen. Michael Zirpel, Sprecher im Bundesverkehrsministerium, sieht das genauso: „Die Spediteure haben sich damit auf einen Holzweg begeben – genauso, wie sie es jetzt tun, indem sie ein Chaos heraufbeschwören.“ Mautsystem-Betreiber und Ministerium sind überzeugt, dass genügend manuelle Eingabe-Terminals zur Verfügung stehen. Die Spediteure könnten ihre Fahrzeuge zudem im Voraus über Internet einbuchen. Ein Verkehrschaos erwarten Zirpel und Biegi daher nicht. Für Verbandschef Drygala ist die Internet-Buchung indes keine Alternative. „Wenn der Lkw dann spontan die Route ändert, muss er anhalten und an einem Terminal alles wieder umbuchen.“

Schon wittern die Maut-Gegner Morgenluft. Die Probleme seien bis zum Starttermin nicht zu lösen, zetert etwa die Industrie- und Handelskammer (IHK) Ostfriesland. Sie plädiert dafür, die Einführung der Maut erst einmal zu verschieben.

Christian Ehlers