Alle mögen die EU-Verfassung

In der letzten Sitzung des Bundestags vor der Sommerpause wird der Europa-Streit nur noch gebremst geführt. Schröder betont Partnerschaft mit Frankreich und Russland

BERLIN dpa ■ Der Bundestag hat die Verfassung der Europäischen Union als Meilenstein und historische Zäsur für den Einigungsprozess gewürdigt. Nach einer europapolitischen Regierungserklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) waren Regierung und Opposition am Freitag in Berlin optimistisch, dass die in allen 25 Mitgliedsstaaten erforderliche Vertragsratifizierung in Deutschland zügig vonstatten gehen werde.

In der Frage des EU-Beitritts der Türkei wurden in der letzten Bundestagssitzung vor der parlamentarischen Sommerpause allerdings erneut erhebliche Meinungsunterschiede zwischen bürgerlichem Lager und rot-grüner Koalition deutlich. Die CDU-Partei- und Fraktionsvorsitzende Angela Merkel bedauerte außerdem, dass in der Präambel zur Europäischen Verfassung ein eindeutiger Gottesbezug fehlt.

Schröder sagte, die Verfassung schaffe die Voraussetzungen dafür, dass Europa entscheidungsfähig und politisch führbar bleibe. Dabei hob er das historische Umfeld des europäischen Verfassungsprozesses hervor. 60 Jahre nach der Landung der Alliierten in der Normandie stünden sich Deutschland und Frankreich so nahe wie nie zuvor. „Fortschritte bei der europäischen Integration kann und wird es nur geben, wenn Deutschland und Frankreich sich so einig wie möglich sind.“

Den gleichen Versöhnungsprozess müsse es nun auch mit dem Osten geben, besonders mit Polen. Schröder verwies auf seine Einladung zu den Feiern des 60. Jahrestags des Warschauer Aufstands in der polnischen Hauptstadt.

Der Kanzler wiederholte auch sein Plädoyer für eine enge Partnerschaft mit Russland: „Es wird auf diesem Kontinent keinen dauerhaften Frieden, keine dauerhafte Sicherheit und kein dauerhaftes Wohlergehen für seine Menschen geben können, wenn es nicht gelingt, Russland in eine ganz, ganz enge Partnerschaft zur EU auf Dauer zu bringen.“

Außenminister Joschka Fischer (Grüne) sieht in der Verfassung eine große Chance zur wirklichen Politisierung der Europapolitik. Er setzte sich für einen EU-Beitritt der Türkei ein, den die Union im Gegenzug nach wie vor vehement ablehnte.

Schröder hob das Prinzip der doppelten Mehrheit hervor, das für wichtige Beschlüsse die Mehrheit sowohl der Mitgliedsstaaten als auch der von ihnen repräsentierten Bevölkerung vorsieht. Damit werde deutlich, dass die EU nicht nur eine Union von Staaten, sondern auch eine Union der Bürger sei. Merkel meinte, die doppelte Mehrheit bedeute einen „Demokratiezuwachs“ für die Europäische Union. Es komme jetzt darauf an, dem Verfassungsauftrag „Gesicht zu geben“.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Gerhardt forderte ein „Wettbewerbseuropa“. Ferner brauche Europa einen strategischen Gestaltungsprozess, vor allem in der Außen- und Sicherheitspolitik.